Mittwoch, 30. April 2008

Das verflixte Tor vor dem Halbmarathon


Laufbericht vom Ickerner Volkslauf am 27. April

Sonntagmorgen. Ich fühle mich wie gerädert. Die ganze letzte Woche hat mich geschlaucht. Die letzten beiden Tage waren noch eine Steigerung. Enkelkind Ronja, 3 Jahre alt, ist fürs Wochenende zu Besuch. Auf der Spielplatzrutsche verdreht sie sich ein Bein. Abendliche Suche nach den Folgen in zwei Krankenhäusern, bis Freitag 24 Uhr. Kleiner Haarriss, Bein trotzdem vollständig eingegipst. Samstag eine weitere Untersuchung im Krankenhaus.

Sonntag nach dem Frühstück, mir fehlt jede Einstellung zu dem geplanten Lauf; mache mich kurz vor acht auf dem Weg nach Castrop-Rauxel. Das heißt, ich will mich auf dem Weg machen. Durch den Hausflur in die Tiefgarage. Das Ausfahrtstor. Ich ziehe wie verrückt an den Strick, der normalerweise das Tor in Gang setzt. Es tut sich nichts. Das gibt’s doch nicht. Ich laufe um das Haus herum und versuche das Tor von außen mit dem Schlüssel zu öffnen. Nichts regt sich, außer ich mich auf. So eine große Schei…!

Es ist Sonntag kurz nach acht. Tut mir leid. Ich habe keine Wahl. Der Hausverwalter wohnt mit im Haus. Ich klingel ihn aus dem Bett. 10 Minuten später ist er draußen und versucht mit der dafür vorgesehenen großen Kurbel das Tor mechanisch nach oben zu bewegen. Das geht auch. Nach 5 Minuten hat sich das Tor um 30 cm nach oben bewegt. Die Mechanik ist schwergängig. Wir wechseln uns ab. Langsam kriegen wir den Dreh raus. Um 8.30 Uhr ist das Tor oben.

Laut Routenplaner bin ich in 15 Minuten am Zielort. Der Routenplaner führt mich in eine Sackgasse. Zum Glück kenne ich mich in Castrop-Rauxel ganz gut aus und fahre ab sofort nach Gefühl. Um 9.00 Uhr habe ich meine Startunterlagen.

Eine Einstellung zu dem Lauf habe ich immer noch nicht. Ich laufe einige Male ein Stück die Strasse rauf und runter. Was mache ich eigentlich hier? Die Läufer versammeln sich vor die Startlinie. Ich also auch (weiter hinten). Startschuss? Jedenfalls geht es los. Ich fühle mich ja gar nicht mal schlecht. Aber Bäume werde ich heute nicht ausreißen. Die Sonne scheint. Ob es wirklich deutlich über 20 Grad warm werden wird? Mit 6:20 Min./Km einzusteigen wäre ok. Dann werde ich wissen was geht und ich habe mich damit noch nicht kaputt gemacht. Das war auch der Schnitt beim Halbmarathon vor 4 Wochen in Duisburg.

Im Feld laufen 10 Km- und Halbmarathonläufer gleichermaßen. Das erste Km-Schild ist erreicht. Genau 6 Minuten. Viel zu schnell für mich finde ich. Ich versuche sofort kontrolliert langsamer zu laufen. Gelingt auch. 6:13 Min./Km für den nächsten Km. Ich laufe neben einer Läuferin des BTC Herne. Steht auf dem Shirt.

18:18 Min. nach 3 Km; 24:26 Min. nach 4 Km und 30:10 Min. nach 5 Km. „Wir sind schneller geworden“, sage ich und wende meinen Kopf zu der Läuferin aus Herne. Wir laufen immer noch nebeneinander. „Ja“, bestätigt sie. „Ich will nach Möglichkeit unter einer Stunde bleiben. Und wie sieht es bei dir aus?“ Damit ist klar. Sie läuft die „10“. „Ich laufe den Halbmarathon; mal sehen ob ich die 2:10 Stunden schaffe“, antworte ich und habe gleichzeitig erstmals auch für mich selbst ein Ziel definiert. „Das ist jetzt etwas zu schnell für mich. Und du musst noch ein klein bisschen schneller werden, damit das mit der Stunde klappt“, füge ich hinzu. „Ich kann besser zum Schluss noch beschleunigen und habe etwas Sorge zu Beginn zu schnell anzufangen“, erklärt sie ihre Taktik. Damit ist dann alles gesagt. Schließlich brauchen wir den Sauerstoff zum Laufen.

Gleich nach der 5 Km-Marke ist ein Tisch mit Wasser aufgebaut. Ich greife dankbar zu. Ganz schön warm in der Sonne und ich schwitze ordentlich.

37 Minuten für die 6 Km. „Oh, oh“, denke ich in Richtung der Läuferin neben mir. Das Trinken hat Zeit gekostet und wahrscheinlich sind wir auch so langsamer geworden. Sie hat es auch bemerkt und legt einen ordentlichen Zahn zu. 42:30 Minuten nach 7 Km und nur noch 5:30 Min. für den letzten Km. Schluss mit lustig. Ich schalte sofort einen Gang runter und lasse die BTC-Läuferin ziehen. Ich muss jetzt mein gleichmäßiges Tempo finden. Bloß keine „Spurts“ mehr.

Mir gehen die Bilder der letzten Woche durch den Kopf und natürlich auch die der letzten beiden Tage. Eine zeitlang laufe ich eigentlich nur so vor mich hin. Bei den 10 Km lese ich 1:00:44 Stunden. Es gibt wieder einen Becher Wasser. Die 10 Km-Läufer haben sich längst in Richtung Sportplatz abgesetzt.

Ich bin ziemlich allein auf weiter Flur und habe gerade noch Blickkontakt zu einigen versprengten Läufern vor mir. Ich laufe jetzt in Kilometerabschnitten. Versuche die Zeit zu halten. Mal etwas über mal etwas unter 6 Minuten. 1:30:50 Minuten bei Kilometer 15. Das ist nur 1 Minute langsamer als bei dem 15 Km Lauf in der Winterlaufserie.

Am Getränkestand laufe ich auf einige Läufer auf. Einige kann ich kurz darauf überholen. Hinter mir höre ich schwere Schritte langsam näher kommen. Ein Läufer in „blau“ schließt zu mir auf und setzt sich schließlich einige Schritte vor mich. Laufe ich selbst auch so schwerfällig? Jedenfalls klatschen meine Füße nicht so laut vernehmbar auf dem Boden.

Das Wetter ist wirklich gut. Die S onne scheint. Es ist angenehm warm, aber nicht so warm wie befürchtet. An offenen Stellen ist der Wind spürbar und kühl. Aber es sind außerordentlich gute Bedingungen. Ich spüre immer noch keinerlei Ermüdungen. Aber immer noch traue ich dem Braten nicht. Der blaue Läufer vor mir scheint eine kleine Schwächephase zu haben. Ich bin wieder direkt hinter ihm und überlege ob ich vorbei ziehen soll. Nein, ich bleibe dahinter. Die Kräfte brauche ich zum Schluss vielleicht noch.

Km 19. Rechts geht’s zum Ziel. Wir müssen aber erst nach links. Eine kleine Sonderrunde bis zu einem Wendepunkt. Ein, zwei Läuferinnen werden noch überholt. Der Wendepunkt. Dann bald Kilometer 20. und in Richtung Sportplatz. Dort noch eine Runde. Ich schaue auf die Uhr. Ich habe keine Zeit verloren. Nein, sogar noch einige Sekunden gut gemacht. Aber jetzt habe ich auch wirklich genug. Der junge Mann vor mir in blau legt auf dem Sportplatz einen Endspurt hin. Aber ohne mich. 300 m können so lang sein.

2:07:19 Stunden stoppe ich im Ziel. Das ist eine Verbesserung um fast sechseinhalb Minuten gegenüber der Winterlaufserie vor 4 Wochen. Ich kann es fast nicht glauben.

Ich treffe einen Bekannten. Wir tauschen uns kurz aus. Und dann kommt mir meine „Nebenläuferin“ der ersten 7 Km entgegen. Frisch gestylt, ich erkenne sie kaum. „Wie ist es bei dir gelaufen“, fragt sie? „Super, Bestzeit, bin total zufrieden.“ Was soll ich sonst auch sagen. Sie ist sich nicht ganz sicher, ob sie die Stunde geknackt hat und wartet noch auf die Ergebnisliste.

Meine offizielle Zeit: 2:07:31 Stunden.

Nach dem Lauf treten die Rückenschmerzen der letzten Tage zurück. Richtig heftig. Seitdem geht nichts mehr. Jetzt hoffe und bange ich, dass ich wieder mit dem Training anfange kann. Das wäre ja wirklich schrecklich, wenn ich zweieinhalb Wochen vor dem Marathon die Segel streichen müsste.

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