Mittwoch, 31. Oktober 2012

Laufen auf Usedom

Zurück von einer einwöchigen Reise nach Usedom. Ich verreise nicht um zu laufen. Aber die Möglichkeiten in einer reizvollen Landschaft auch laufend Eindrücke zu sammeln nutze ich gerne.

1. Etappe: Grenzläufer

Ich breche am frühen Morgen noch im Dunkeln zu meinem ersten Urlaubslauf auf. Ich habe nicht einmal einen genauen Plan, wohin es gehen soll. Ich laufe direkt vom Hotel an der Strandpromenade in Swinoujscie (Swinemünde) los. Da die Swine meinen Lauf in östlicher Richtung bald beenden würde - Übergang ist nur mit der Fähre möglich - geht es in Richtung des Seebades Ahlbeck. Die bebaute Strandpromenade habe ich nach wenigen hundert Metern verlassen. Ein großzügig angelegter Weg für Radfahrer und Fußgänger sowie mit Solarenergie betriebene Straßenlaternen erleichtern das Laufen. Recht und links säumt Wald den Weg. Es ist abgesehen von dem Licht der Laternen stockdunkel. Ich höre das Rauschen der nahen Ostsee. Ansonsten dominiert Stille, Dunkelheit und Einsamkeit die Atmophäre. Am Rande sind Informationstafeln aufgestellt über Vegetation, Vogelwelt und Fauna. Zu den heimischen Tieren gehören hier auch Wildschweine. In der Nacht zuvor haben diese in unmittelbarer Nähe des Hotels ihre Wühlspuren hinterlassen. Ich schaue wie gebannt an den Wegesrand in den scheinbar undurchdringlichen Wald und weiß nicht, ob ich hoffen oder bangen soll.

Der Lauf findet sehr schnell einen ganz anderen unvermuteten Höhepunkt. Im diffusen Licht der Laternen wird so etwas wie ein Kunststoffdach sichtbar. Ich kann es zunächst nicht recht  einsortieren. Der Bereich vor mir ist aber dann mit mehr Lichtquellen versehen. Erst als ich direkt durch dieses "etwas" laufe bemerke ich: es ist die polnisch-deutsche Grenze. Jetzt bleibe ich natürlich stehen, bin nicht vorbereitet und schaue vermutlich etwas "verdattert" drein. Na klar, Usedom ist zwischen Polen und Deutschland aufgeteilt. Also gibt es auch eine Grenze. Die "Grenzanlage" mitten im Wald besteht aus ein paar Hinweistafeln, eine aufgepflasterte Markierung auf dem Rad- und Fußweg und sonst nichts. Ich bin allein. Außer mir keine Menschenseele. Also laufe ich über die Grenze, so als wäre es das natürlichste der Welt. Und eigentlich ist es doch auch. schön. dass es bei all dem politischen Chaos um und in Europa doch auch unglaublich positive Dinge statt gefunden haben und noch statt finden. Indem ich hier durchlaufe, wird mir dass schlagartig bewusst.

So laufe ich weiter Richtung Ahlbeck. Von dem Seebad ist zunächst noch nichts sichtbar. Irgendwo vermitteltdie Dunkelheit Niemandsland. Nach knapp 4 Kilometern ändert sich das. Bebauung setzt ein. Bäderarchitekur wird sichtbar.  Inzwischen habe ich gedanklich auch meinen heutigen Wendepunkt  ausgemacht. Es soll die Seebrücke in Ahlbeck sein. Touristische Hinweistafeln dazu habe ich schon entdeckt. Müsste eigentlich gleich kommen. Inzwischen ist auch die Dämmerung weiter fortgeschritten. Die Seebrücke sehe ich aber nicht. Kann nicht sein. Nach meiner Vermutung habe ich sie übersehen und so wende ich und schaue mich mit gesteigerter Aufmerksamkeit um. Nach nicht einmal 500 Metern erkenne ich den aufwendig gestalteten Eingangsbereich und laufe die etwa 300 Meter lange Brücke aufs Meer hinaus. Die Brücke ist menschleer; dafür wird sie von unzähligen Möwen und Krähen  bevölkert, die sich offenbar startklar für ihr Frühstück machen. Zunächst aber trete ich als Störenfried in Erscheinung und sorge dafür, dass die Brücke Meter für Meter vogelfrei wird, freilich nicht ohne protestbehaftete Geräuschkulisse. Das Ende der Brücke erreicht geht es zurück in Richtung Swinemünde.

Ein Geräusch! Ich schaue mich um. Hinter mir ein Läufer, der etwas schneller als ich unterwegs ist. Als er näher kommt höre ich sein heftiges Schnauben. Auf gleicher Höhe grüßen wir uns; es ist ein Pole. Er erzählt etwas von "Marathon" und einem 10-Km-Lauf. Er spricht nur wenig deutsch Übertrifft aber damt meine polnischen Sprachkenntnisse um ein Vielfaches. Ich kenne einige polnische Fußballspieler, das ist es dann auch schon. Als er fragt, woher ich komme, sage ich der Einfachheit halber aus Dortmund. Da strahlt und gestikuliert er lautstark und ruft "Borussia - Borussia." Wenn es jemals eine Barriere zwischen uns gegeben hätte, so war damit jedenfalls diese aus dem Weg geräumt. Wir "verstehen" uns prächtig. Tauschen noch ein paar Namen von Dortmunder Spielern aus. Dann trennen sich unsere Wege.




 

2. Etappe: Und wieder kein echtes Wildschwein

2 Tage später bin ich erneut früh Morgens unterwegs. Heute ohne dicke Bewölkung. Der Himmel ist sternenklar, die Luft ist schneident kalt; die Temperaturen liegen an der 0 Grad-Grenze. Kräftiger Wind ist in der Nacht aufgezogen und schüttelt die Bäume und noch mehr mich selbst durch. Die Ostsee tost heute unüberhörbar durch den Waldstreifen hindurch, der mich von Strand und Wasser trennt. Die Laternen werfen von den im Wind heftig bewegten Bäumen unheimliche Schatten auf dem Boden. Eine unheimliche Kulisse. Plötzlich hinter mir ein Geräusch. Erschreckt drehe ich mich um Ein jüngere Läufer kommt mit Tempo näher an mich heran. Er überholt mich. "Ich dachte schon es wäre ein Wildschwein," ist mein freundlicher an ihn gerichteter Gruß.

Auf die Seebrücke von Ahlbeck begebe ich mich heute wegen des kräftigen Windes nicht.

 


3. Etappe: Traum und Wirklichkeit

Über Nacht wurde die Uhr um eine Stunde zurückgedreht oder angehalten. Winterzeit! Es ist noch ein wenig kälter geworden. Heute soll es ein längerer Lauf werden und in den Wald gehen. Ich breche erst auf, als sich der Tag allmählich ankündigt. Zunächst geht es noch die Strandpromenade entlang bis kurz hinter der Grenze. Eine  Tafel weist den Weg nach rechts für 400 Meter in den Wald: "Letzte deutsche Kneipe vor Moskau." Ich weiß, dass es sich um eine schlichte Imbissbude am Grenzmarkt handelt. Das ist nicht mein Ziel. Der Waldweg findet auf der anderen Seite der Bundesstrasse seine Fortsetzung. Informationstafeln weisen auf Verhaltensregeln für das Naturschutgebiet hinweg. Erst ein Hase und dann ein Fuchs kreuzen meinen Weg und verschwinden rasch in den Wald. Dieser verschluckt doch noch sehr viel Licht des einsetzenden Tages.  Viel sehe ich noch nicht. Aber was ich dann höre verschlägt mir den Atem. Ganz nahe neben mir ein Grunzen und Schnauben. Mein Puls schiesst in die Höhe, mein Herz rutsch mir sprichwörtlich in die Hose. Abrupt habe ich meinen Lauf unterbrochen. Angestrengt schaue ich in den Wald. Ich kann nichts entdecken und ich höre auch nichts mehr. Träume ich? Hat mir meine Phantasie einen Streich gespielt? Ich werde es nicht erfahren.

 








Das Gelände erfordert meine Aufmerksamkeit.. Ein dicker Blätterteppich bedeckt den Boden und verdeckt den Untergrund. Es handelt sich zunächst um einen Weg, der von Fahrzeugen der Grenz- und Zollbehörden genutzt wird. Grober Schotter soll für die erforderliche Befestigung sorgen. Zusammen mit dem Laub ein schwierig zu laufender Untergrund. Doch bald geht es tiefer in den Wald und hiert fährt jetzt garantiert nichts mehr durch. Der Untergrund bleibt sehr holprig. Ich bin halt ein verwöhnter Strassenläufer. Es geht erstaunlicherweisedurch ein recht welliges Gelände. Ein Hinweisschild  weist dieRichtung zum  Aussichtsturm Zirowberg. Auf der Karte hatte ich eine 58 Meter hohe Erhebung ausgemacht. Doch zunächst geht es kreuz und quer, auf und ab durch den bunten Herbstwald. Die Morgensonne sorgt dafür, dass die Farben so richtig zur Geltung kommn. Es ist weiterhin kalt. An geschützen Stellen finden sich Reste eines nächtlichen Schneeregenschauers. Mit einiger Anstrengung habe ich den Zirowberg erklommen und lege eine Laufpause ein. Schließlich möchte ich erkunden, was das kleine Assichtstütmchen an Ausblicke bereit hält. Ein Blick auf das Seebad Ahlbeck und die Ostsee  im Morgenlicht belohnen die zu bewältigten wenigen Stufen. Es ist zu frisch um sich hier länger aufzuhalten.  Ich setze meinen Lauf fort. Ein Ziel habe ich zunächst nicht. Die Namen auf den Wegtafeln sagen mir nichts. Vielleicht bekomme ich doch noch den Gothensee zu sehen? Der Gothensee ist der größte Binnensee auf Usedom mit einer Länge von etwa 6 Kilometern. Von der grob einzuschlagenden Richtung habe ich eine Vorstellung. Aber hier in dem mir unbekannten Waldgelände ist es schwer eine bestimmte Richtung auch einzuhalten. Schließlich komme ich an eine Straße und ein Ortseingangsschild "Korswandt". Und tatsächlich, durch die Bäume schimmert eine im Sonnenlicht glänzende Wasserfläche. Der Gothensee??? Im Hotel  auf der Karte sortiere ich das Gewässer als den kleineren Wolgastsee ein. Egal. Schön wars in jedem Fall. Der Wald, die morgendlichen Sonnenstrahlen und das glitzernde Wasser  zaubern eine unnachahmliche friedliche Stimmung. Trotzdem muss ich weiterlaufen. Mein Weg ist noch weit. Bald bin ich zwei Stunden unterwegs. Ich bin bisher keiner Menschenseele begegnet.





 

Endlich treffe ich auf eine Tafel die mir den Weg in Richtung Ostsee weist. Dann ein weiterer Pfeil Richtung "Grenze". Ich gelange auf den Promenadenweg, den ich aber nur überquere, ebenso wie den breiten Sandstrand. Die restlichen drei Kilometer geht es direkt am Wassersaum der Ostsee entlang. Ich laufe in östlicher Richtung, die Sonne im Gesicht und leichten Rückenwind zur Unterstützung. Das Plätschern des Wassers. Die Geräuschkulisse der Seevögel, die zudem ihre Flugkünste vorführen, dass es eine Lust ist zuzusehen. Welch ein Glück jetzt hier laufen zu können. Alles hat ein Ende, auch dieser Lauf. Aber er hinterlässt hinterlässt einen nachhaltigen Eindruck auf mich.


Sonntag, 21. Oktober 2012

Goldener Oktober



Oktobertage mit frühlingshaften Temperaturen, klare Luft, bunte Farben. Und Zeit zum Laufen. Ohne Zwang und Ziel. Erst äußerer, dann innerer Stille. Es ist keine Kunst in der Morgendämmerung loszulaufen, wenn die Sonne erst gegen 8.00 Uhr aufgeht. Und es lohnt sich allemal an einem Sonntagmorgen, bevor ein Hauch von Hektik überhaupt eine Chance hätte. Die Ruhe ist körperlich spürbar. Das Tageslicht entfaltet sich langsam. Der Oktobermorgen verzaubert sich selbst mit einem Hauch von Bodennebel. Dann gibt er allmählich immer mehr von seinen Farben preis. Weil es unbeschreiblich ist versuche ich es auch nicht. Doch ich bleibe häufig stehen, wie gebannt, was es zu entdecken gibt. Faszinierendes Spiel von Licht und Farben.

Vor weiter mir an Boden leichtet helles Grün. Was ist das? Es fällt derzeit viel Laub nach unten; doch das ist deutlich dunkler. Äpfel! Ein wilder Apfelbaum an einem selten gelaufenen Nebenweg meiner Laufstrecke, der mir bisher noch nicht aufgefallen ist. Zahlreiche Äpfel sind frisch heruntergekommen. Ich halte erneut kurz an. Erwa drei Meter von mir entfernt plumpst dann einer auf den matschigen Boden. Grund genug weiter zu laufen. Auf einem umgepflügten Feld haben sich zahlreiche Enten zum Frühstück versammelt. Über mir eine einzelne, imposante Wildgans am Morgenhimmel. Ein seltenes Schauspiel hier in der Ecke. Dann komme ich an meinen beiden  Lieblingsweiden vorbei, die soviel Ruhe ausstrahlen.

Laufen in der schönsten Form mit meditativen Zügen hat sich heute Morgen verwirklich. Nicht der erste und hoffentlich auch nicht der letzte in diesem Herbst.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Halbmarathon um den Phoenixsee

 

Wer den Phoenix-See nicht kennt weist damit keine Bildungslücke auf. Dieses erst künstlich angelegte Gewässer liegt im Dortmunder Stadtteil Hörde auf einem zu Gelände, welches früher Bestandteil eines riesigen Stahlwerks war. Dieses Werk ist auch Namensgeber für den See. Die zweckbauliche Gestaltung als Regenwasserrückhaltebecken mit Zu-, Über- und Abläufen schützt flussabwärts liegende Wohn- und Gewerbebebauung am Ufer der Emscher vor Hochwasser. Bei Bedarf kann der See zusätzlich bis zu 360 000 Kubikmeter Regenwasser aufnehmen.Die Informationen habe ich aus dem Internet. Bekannt geworden ist mir das Projekt vor einem Jahr durch umfangreiche Presseberichte mit dem Tenor, dass es sich um eine tolle landschaftliche Umgestaltung und ein sehr attraktives Baugebiet handeln würde. Neugierig geworden habe ich das landschaftsarchitektonische Bauwerk besucht und war doch etwas enttäuscht. Nach dem Marketinggeschrei konnte man fast den Eindruck gewinnen als würde hier dem Starnberger See Konkurrenz gemacht.  Nichts für ungut, aber im Kern geht es um Immobilienvermarktung. Ich finde die Wiederherstellung eine ehemals industriell genutzten Fläche im Prinzip  positiv; allerdings ist auch kein Wunderwerk entstanden.

Der See ist lediglich 1.200 m lang und maximal 310 m breit. Und so war ich doch einigermaßen überrascht, als ich vor einigen Wochen von dem geplanten Halbmarathon las. Allerdings sollte der Streckenverlauf doch weit außerhalb des Sees führen, unter anderem an industiekulturell interessanten Hoesch-Komplex vorbei, welches man zum Beispiel auch vom Dach des Westfalenstadions aus sehen kann. Da ich ohnehin noch einen Testlauf auf HM-Distanze durchführen wollte, habe ich mich kurzfristig angemeldet. Lauftag war der Tag der Deutschen Einheit. Einen Tag vorher nutzte ich die Gelegenheit um meine Startnummer abzuholen. Als ich die vielen Baukräne und die im Bau befindlichen Gebäude entdecke bin ich doch ziemlich geschockt. Ob der Unterschied von einer Industriebrache zu einer Bauwüste so gravierend ist? Doch die Stadtfürsten sehen das immer mit anderen Augen, nicht nur in Dortmund ist das so. Ein dicker Regenguss, der auf die Warteschlange vor dem Organisationszelt niederprasselte, sorgte dafür, dass ich mich innerlich nicht weiter ereiferte.

Von der Vortour nach Dortmund nach fast zweistündiger Fahrt mit dem Nahverkehr zurück zu Hause. Vorbereitungen für den nächsten Tag und früh ins Bett. Denn wer an einem Feiertag von einem Stadtteil in Recklinghausen in einen Außenbezirk von Dortmund will, braucht viel Zeit und Geduld. Man bekommt zum Ausgleich um sieben Uhr Morgens am Hauptbahnhof die Überrreste des Nachtlebens zu Gesicht. Ein Highlight war sicher die Frage eines doch sehr abgestürzten Individuums, ob es jetzt Morgens oder Abends ist.   Ich bin mir sehr sicher, dass die Frage kein Fake war.

Endlich Ankunft am Phoenix-See. Die zunächst noch starke Bewölkung lockert sich entgegen den Wetterprognosen auf. Ein herrlicher herbstlicher Vormittag kündigt sich an. Am See ist es schon rappelvoll. Zunächst starten Schülerläufe. Wie ich später höre, hat allein ein Gymnasium immerhin 300 Schülerinnen und Schüler aktiviert.   Wenn sich daraus wenigstens für einen Teil längerfristige sportliche Aktivitäten ergeben, dann war es jedenfalls schon deshalb eine lohnende Veranstaltung gewesen.

Ich schaue mir das Start und Zielgelände an, und habe noch genügend Zeit zum Einlaufen. Knapp zehn Minuten vor dem Start bin ich wieder zurück. Doch der Startbereich ist leer. Ich bin nicht der einzige Läufer der ratlos umherirrt. Ein Helfer sorgt für Aufklärung. Der Start für den Halbmarathon liegt direkt am See. Also die Beine in die Hände genommen, denn es sind doch einige hundert Meter bis zum Startbogen. Das Mißverständnis ist teils selbstverschuldet. Im Internet gab es entsprechende Hinweise, die aber vor Ort dann fehlten, beziehungsweise irreführend waren. Ich erreiche den richtigen Startbogen noch gerade rechtzeitig und bin jetzt zumindest richtig warm gelaufen.

Der Start findet zunächst aber nicht statt. Die Lautsprecherdurchsagen kommen am hinteren Teil des Feldes nicht an. Aber offensichlich sind noch nicht alle Schüler im Ziel und die Laufsrecken würden sich kreuzen. Nach 15 Minuten Wartezeit gibt es Unruhe im Feld. Geht es vorne los? Nein, zunächst nicht. Dafür ist aber der Startbogen umgefallen. Sehen kann ich nichts. Doch die Mundpropaganda von ganz vorne bis ganz hinten im Feld funktioniert, wenn auch mit zeitlicher Verögerung.

20 Minuten Verspätung und es geht dann tatsächlich doch noch los. Zum Glück ist es in der Sonne angenehm warm. Die Warterei war da nicht so schlimm.

Es darf gelaufen werden. Die Sonne stralt vom tiefblauen Herbsthimmel, als ich die Startlinie überquere. An Streckenrand sorgen hunderte von Zuschauern für eine stimmungsvolle Kulisse. Nicht wenige Läufer stehen darauf. Ich brauche das eigentlich nicht.

Es geht zunächst zwei Runden m den See. Ich genieße die klare Luft und die "Seekulisse". Mit guter Laune finde ich es heute deutlich schöner als im Regen am Vorabend. Es ist erstaunlich, dass der circa 4 Meter breite Weg die Läufermassen offensichtlich problemlos bewältigt.  Es müssen knapp 2.000 Läufer am Start sein. Ob es in der Mitte des Feldes auch so komfortabel zu laufen ist wie weiter hinten? Zwei "Seerunden" reichen mir dann doch und ich bin froh als es "raus ins Gelände" geht. Ganz klar ist mir nicht was mich erwartet. Schlimmstenfalls Passagen durch monotone Siedlungen? So bin ich dann doch überrascht, das es gleich durch einen schmalen Waldstreifen geht. Auf der rechten Seite verläuft etwas unterhalb des Laufweges ein renaturierter Bachlauf. Immerhin! Die Industrie zieht sich gezwungener Maßen zurück, weil sie den globalen Bedürfnissen nicht mehr entspricht. Und von Menschenhand unterstützt wird der Natur neuer Raum gegeben. Jedenfalls ist das die Idee.

Inzwischen bin ich bald 10 Km unterwegs. Meine läuferischen Ansprüche sind bescheiden geworden. Ich erwarte nahezu nichts. Das resultiert sich aus meinen Trainingserfahrungen die sich bestätigen. Noch bin ich aber etwas "schneller" als geplant. Das ist die Wirkung wenn man im "Rudel" läuft.  So langsam geht es raus aus der grünen Oase in den sogenannten Phoenix-Park und damit auch sichtbar ins früher industriell.genutzte Gelände. Reste einer typischen Ruhrgebietskulisse. So wie man es sich vorstellt. Es ist spannend und mit Erinnerungen verbunden hier zu laufen. Vergangenheit, eine Art Freilichtmuseum.  Jetzt bedaure ich es keinen Fotoapparat dabei zu haben. Aber vielleicht kann man hier später mal einen Sonntagsspaziergang unternehmen.

Die Wolkendecke und der Wind haben zugenommen. Auf offenem Gelände werde ich ordentlich durchgeschüttelt. Außerdem werde ich von einer "Banane" und einem "Affen" überholt. Als ob de Teilnahme  an so einem Massenevent nicht schon verrückt genug wären. Mit solchen Verkleidungen möchte ich nicht herumlaufen. Aber die Jungs scheinen ihren Spaß zu haben. Die Hälfte der Strecke ist längst passiert. Da entdecke ich schräg vor mir die riesigen gelben Pilonen des Westfalenstadion. Mein Stadion in dem ich seit vielen Jahren bei jedem Heimspiel stehe! Ich bin begeistert. Für mich steht jetzt aber schon fest, dass sich dieser Lauf gelohnt hat.

Es geht durch die Halle einer BMW-Niederlassung. Der Sponsor hat sich nicht lumpen lassen und eine Band engagiert, deren Musik mich für ein kurzes Stück begleitet. Nach etwa 17 Km habe ich mein "Pulver verschossen" und ich werde unfreiwillig langsamer. Da ich dieses Gefühl aus vielen Laufveranstaltung kenne und mit dieser Situation gerechnet habe tue ich das, was notwendig ist: ich laufe weiter. Es gibt jetzt einen Anstieg, nicht übermäßig lang und steil, aber ich verliere meinen Laufrhythmus. Macht nichts, denn es ist nur ein kurzer "Berg". Wir nähern uns wieder dem See. Huch, ist das windig   geworden! Am See angelangt fällt dem müden Läufer dann auf, dass er diesen dann noch einmal fast vollständig umrunden muss. Ein kleiner See, aber 3 Kilometer können ja so lang sein. Den See finde ich jetzt nicht mehr sonderlich spannend. Ich möchte nur noch anständig das Ziel erreichen. Von weitem ist der Zielbogen sichtbar. Ein Sambagruppe sorgt nochmals für "Motivation". Jetzt noch einmal "gut aussehen". Und tatsächlich reicht es auf den letzten dreihundert Metern für einen Schlußspurt. Im Ziel ist es dann wie immer doch am schönsten.

 Ich weiß es nicht, was tausende von Läufern und auch mich immer wieder zu solchen Veranstaltungen hinzieht. Allein, wenn man den Zeitaufwand für Hin- und Rückfahrt bedenkt... Aber mit Logik darf man Läufern nicht kommen. Und die Streckenführung hat meine Erwartungen diesesmal doch deutlich übertroffen. Es war ein Testlauf mit einem 30 Km-Lauf einige Tage zuvor in den Beinen. Der Test hat das bestätigt, was ich vorher schon wußte. Einen Marathon habe ichderzeit nicht in den Beinen. Keine Enttäuschung, nur Gewissheit. ber ich bin ja noch jung. :-) Im nächsten Jahr gibt es einen neuen Anlauf.Bis dahin wird fleißig weiter gelaufen, so weit die Füße tragen.