Sonntag, 24. Juli 2011

Durch Höhen und Tiefen



Gestern schon bauten sich imposante Wolkengebilde am Abendhimmel auf. Für Sonntag sagte der Wetterbericht ganztägigen ergiebigen Regen voraus. Ob das meinem geplanten dreistündigen Trainingslauf gut tun würde? Der Wecker war, wie sonst werktags, auf 5.15 Uhr gestellt. Das mag für jeden Langschläfer eine grausame Vorstellung sein. Als Frühaufsteher tangiert es mich kaum und das Klingel hat sozusagen nur ermahnenden Charakter. Es war noch ziemlich dunkel. Zum einen ist die Sommersonnenwende schon Wochen her und zum anderen verschlang der Regenhimmel zusätzlich Licht.

Draußen empfangen mich reichlich Regentropfen und ein frischer Wind, der die kühlen 10 Grad wirkungsvoll untermalt. Vor dem Zugang zu meiner Laufstrecke muss ich noch eine kleine Fußgängerbrücke überschreiten, vor der sich eine unüberwindlich scheinende Pfütze aufgebaut hat. Wasser von oben, Wasser von unten.

Ich habe eine Trinkflasche dabei, die ich nach einem Kilometer an geeigneter Stelle deponiere. So ist dann auch für Wasser von innen gesorgt. Ich laufe einen Rundkurs aus drei größeren und einer kleineren Runde, die mich immer wieder an meiner Wasserstelle vorbei führen.

Es ist nass und kühl. Auf den offenen Feldwegen stemmt sich mir ein ungemütlicher Wind entgegen. Ein echtes Gänsehautgefühl. Der Wind zerrt an meiner Kappe, die ich aus Schutz vor Auskühlung ausnahmsweise mal im Juli aus dem Schrank gekramt habe. Ein lustiges Spielchen, was der Wind da mit mir treibt und meine Reaktionsschnelligkeit testet. Es gelingt mir aber die Kappe immer rechtzeitig vor dem Abheben festzuhalten. Schließlich drehe ich die Kappe um, mit dem Dach nach hinten. So geht es besser. Ob ich das drei Stunden lang aushalte?

Während dessen plätschert der Regen unablässig auf mich ein. Das ist eine ziemlich kalte Dauerdusche, die nichts mit sommerlichen Landregen gemein hat. Trotzdem habe ich inzwischen meinen Laufrhythmus gefunden. Nach etwas mehr als 52 Minuten habe ich meine erste Runde geschafft. Ich habe inzwischen einen Plan, um mit dem kalten und mäßig starken Wind besser zurecht zu kommen. Statt den einen Kilometer bis zu meiner Trinkflasche zu laufen, drehe ich um. Jetzt geht es gegen den Uhrzeigersinn. Runde ist Runde; ich werde den Wind zwar gelegenlich wieder von vorn bekommen, aber an anderen Stellen der Strecke, da wo nicht ausschließlich offenes Feld vorherrscht. In der Tat, ich habe das Gefühl, dass es so besser geht. So erreiche ich mit deutlicher Verspätung nach 1:35 Stunden zum ersten Mal meine Trinkflasche. Problem: ich habe ziemlich kalte Hände und bekomme den Verschluss der Flasche erst im zweiten Versuch aufgedreht. Ist das Wasser (aus der Flasche) kalt! Ich zwinge ein paar Schluck herunter und weiter geht es.

Inzwischen bin ich ziemlich sicher, dass ich den Lauf heute wie geplant durchziehen werde. Mein Spruch von gestern, man müsse das Wetter halt so nehmen wie es kommt, scheint mir heute aber als etwas idiotisch überzogen. Der Himmel ist etwas heller, der Regen schwächer geworden. Der wird doch jetzt nicht aufhören wollen? Das wäre ein glatter "Stilbruch". Und wenn ich schon mal richtig nass bin...

Man hat viel Zeit zum Nachdenken, bei so einem langen Lauf. Die Gedanken schießen im Zeitraffertempo durch den Kopf. Wenn ich das alles aufschreiben wollte, hätte ich wahrlich viel zu tun. Vieles hat nichts mit Laufen zu tun. Manches schon. Mir fällt ein sommerlicher Regenlauf ein, der mich ebenfalls auf einem langen Lauf begleitete. Ich weiß jetzt nicht in welchem Jahr das war und habe keine Lust nachzuschauen. Aber die Erinnerung an diesen grandiosen Lauf ist noch sehr präsent. Was hatte das damals geschüttet! Aber es war deutlich wärmer als heute; und der Regen war viel gleichmäßiger, ein echter Landregen. Aber - irgendwann hatte es aufgehört. Und ich hatte mich über den "schlappen Regen" lustig gemacht. Heute aber forderte er mich richtig raus und hatte zu seiner Unterstützung den Wind und die "Kälte" mitgebracht. Das war ein ziemliches Kaliber. Und der Regen dachte heute auch gar nicht daran "schlapp zu machen". Im Gegenteil, er hatte sich wieder verstärkt. Durch ein Waldstückchen plätscherte das Wasser von den Blätterdächern und der Wind sorgte dafür, dass sich gelegentlich ganze Kaskaden über mich ergossen. Mir viel das Gedicht vom Zauberlehrling ein:

"Walle! walle
manche Strecke,
daß, zum Zwecke,
Wasser fließe
und mit reichem, vollem Schwalle
zu dem Bade sich ergieße."

Und:

"Ach, da kommt der Meister!
Herr, die Not ist groß!
Die ich rief, die Geister
werd ich nun nicht los."

Also, irgend ein "Meister" ist mir heute nicht begegnet. Wäre auch nicht nötig gewesen. Inzwischen war ich schon 135 Minuten laufend unterwegs und ich hatte richtig Spaß an diesem Lauf bekommen. Ich hatte den Regen akzeptiert und er war zu meinem Begleiter geworden. Ich spürte ein breites Grinsen auf meinem Gesicht. Ja, das war jetzt ein richtig schöner Lauf. Die körperliche Schwäche der letzten Zeit hatte sich schon im Laufe der Woche verflüchtigt. Die Schmerzen in der Hüfte hatten aufgehört. Immerhin hatte ich in dieser Woche auch zwei mittlere Läufe mit ordenlichem Tempo machen können. Und heute lief es einfach super gut. Nur das Wetter hatte ein ordentliches "Tief".

Jetzt hatte ich bald die dritte längere Runde hinter mir und es würde zum Abschluss noch eine kleine Runde mit etwa 3,5 Kilometern folgen. Ich rechnete und stellte fest dass ich ja knapp unter drei Stunden bleiben würde. "Das geht ja gar nicht", dachte ich. Und bevor es eben in den letzten "Kringel" ging, lief ich noch eine kleine Schleife. In diesem "Laufgebiet" habe ich jeden Meter schon irgendwie vermessen. Ich kann etwas "dranhängen" oder "verkürzen", alles kein Problem.

Auf den letzten beiden Kilometern merkte ich dann, dass ich inzwischen doch schon eine ordentliche Stecke gelaufen war. Gut so, sonst wäre es ja auch noch nicht genug gewesen. So hatte sich die Anstrengung wenigstens gelohnt. Und was wäre dieser Lauf ohne Regen und Wind gewesen? Wahrscheinlich ein ganz gewöhnlicher Lauf. So bleibt dann die Erkenntnis, was es doch für ein Glück ist, so laufen zu dürfen. Und was es doch für ein Glück war, gerade heute bei diesem Wetter gelaufen zu sein.

Heute gelaufen: 3:00:02 Std. mit 26,2 Km.

Es war der 131. Lauf in Serie, mit 1.021,6 Gesamtkilometern und 7,8 Km im Tagesschnitt.

2 Kommentare:

Marcus hat gesagt…

Lieber Dietmar,

offenbar habe ich meinen Regentanz zu spät abgebrochen; entsprechend hat Dich der Regen gefordert. Mea culpa! Ich gebe zu, daß die Witterungsverhältnisse für Juli - „Sommer“ - ein wenig kurios anmuten. So ist das nun einmal.

Aber ich freue mich zu lesen, daß der Lauf zwar von Tiefen durchzogen wurde, doch letztendlich von den Höhen dominiert wurde. Und das gar als Glück zu interpretieren, ja, dann war das mehr als gelungen.

Im Gegensatz zu Dir bin ich zwar 12 KM weniger gelaufen, war aber ähnlich „beflügelt“. Und so geht der Genuß in die Erinnerung ein...

Einen schönen Sonntag wünsche ich Dir,

alles Gute,

Marcus

Running Wiesel hat gesagt…

Danke lieber Marcus. Von diesem Lauf werde ich sicher noch einige Zeit zehren. Derzeit zerrt er aber eher an mir. Aber das gehört dazu und es ist letztlich ein gutes Gefühl.

Dir auch noch einen schönen Sonntag und eine gute Woche!

Dietmar