Samstag, 30. Januar 2010

Gras fressen?



Die Redewendung "Gras fressen" bedeutet nach meiner Erinnerung, dass jemand der ein bestimmtes Ziel verfolgt dafür alles geben muss, im wahrsten Sinne des Wortes also notfalls auch Gras fressen muss. Für einen der vor hat einen Marathon zu laufen trifft das wohl auch zu. Zur Zeit ist es aber nichts mit dem Gras fressen. Über Nacht hat es circa 10 cm Neuschnee gegeben. Pulverschnee vom feinsten. Statt "Gras" müsste es also heißen "Schnee fressen". Der Winter zieht in diesem Jahr alle Register um mich vom Laufen abzuhalten. In den letzten Tagen hat es bei Temperaturen knapp über Null Grad immer wieder Schneegestöber gegeben. Zum Tauen war es nicht mild genug; zum liegen bleiben des Schnees war es wiederum nicht wirklich kalt genug. Was einen rutschigen Untergrund aus gefrorenen Schneeresten und hinzukommenden Schneematsch bedeutete. Der Neuschnnee heute morgen kam so wie gerufen. Hoch genug, um den nahezu unpassierbaren Untergrund zu bedecken. Also raus heute am frühen Morgen, noch bei vollständiger Dunkelheit und loslaufen. Es fehlen noch etwa 22 Km um die anvisierten 200 Km in diesem Monat zu schaffen.
Der Schnee leuchtet auch in der Dunkelheit und zunächst spendet der Mond reichlich zusätzliches Licht. Der fast volle Mond lugt zwischen den Wolken hervor. Ein mystisches Bild in der Schneelandschaft. Wer noch im Bett liegt hat was verpasst.
Ich bin arg mitgenommen von der zu Ende gehenden Woche. Starke Kopfschmerzen, fast schon Migräne. Zum Schluß hat es negativen Stress gegeben. Der wirkt auch körperlich; ich bin zerschlagen und leide trotz des langsamen Laufens unter Atemnot. Der gestrige Tag, der mir einen Teil des Schlafes heute Nacht geraubt hat, jagt mir durch den Kopf und eigentlich durch den ganzen Körper. Ich tröste mich, an dem Schauspiel des Mondes, an der Winterlandschaft im Dunkeln, der Vorstellung, dass ich meinem Ziel, die 200 Km in diesem Monat zu schaffen, heute ein gutes Stück näher kommen werde.
Außerdem habe ich die Hoffnung, dass mir das Laufen hilft mich abzureagieren, die unerträglichen Spannungen abzubauen. Ich weiß aus der Erfahrung, das geht. Aber heute Morgen ist es ein mühseliges Unterfangen Aber schon nach ein paar Kilometern spüre ich erste innere Erleichterung.
Der Untergrund ist schwierig. Der Schneematsch ist teilweise zu Klumpen gefroren. Tiefe Spurillen auf dem Wirtschaftsweg der durch die Felder führt und dann die Dunkelheit, die zunächst nicht erkennen lässt, was mich beim nächsten Schritt erwartet. Ohne den tiefen Neuschnee ginge es gar nicht. Laufen, stolpern rutschen ist angesagt. Da wo es sich anbietet laufe ich auch auf der Straße. Die ist jetzt wie leergefegt, aber nur was Autos anbelangt. Schnee ist hier reichlich vorhanden. Allerdings ist der schon festgefahren. Man kann drauf laufen, wenn man vorsichtig ist. Ansonsten ziehe ich außerhalb der Straße die erste Spur in den Schnee. Das ist schön, macht Spaß, warum auch immer.
Nach circa 45 Minuten geht es mir hervorragend. Kopfschmerzen und Atemnot? Das war gestern. Jetzt bin ich wieder ganz ich selbst. Lasse meinen Gedanken freien Lauf, fange an zu träumen. Das ist das Gefühl von Freiheit und Unbeschwertheit. Mir tun die Nichtläufern leid. Aber es gibt ja mehrere Möglichkeiten mit sich ins Reine zu kommen, sich selbst zu finden. Meine Methode dafür ist das Laufen.
Nicht dass es leicht wäre. Es ist heute Schwerstarbeit. Aber wenn es denn sein muss. Hau rein, fresse die Kilometer, lass`den Dampf aus dem Kessel.
Heute ist es der Kampf, den ich mit mir selbst austrage, der für Zufriedenheit sorgt. Vor 2 Tagen durch die Haard auf den frisch zugeschneiten Radweg war es das Laufen für sich genommen, welches Glückshormone wie aus dem Nichts ausspuckte. Ich hatte schon einen guten Tag hinter mir. Und dann noch ein unbeschreiblich befreites Gefühl beim Laufen. Eine Spur war da schon auf meinem Weg. Die Schritte kürzer als meine eigenen. Des Rätsels Lösung kam mir nach 30 Minuten entgegen. Ein etwas kleinerer, älterer und noch langsamerer Läufer als ich es selbst bin. Ja, so was gibt es.
Ich werde manchmal, gerade jetzt im Winter grfragt, warum ich das mache. Es gibt viele Gründe. Heute war es, weil ich kämpfen wollte; ich wollte nicht am Boden zerstört das Wochenende verbringen müssen. Die Gnugtuung kam, als ich diesen Kampf gewonnen hatte, meine Kilometer gelaufen war. Ich hatte es geschafft; und meine 200 Km sind auch in Sichtweite. 191,5 Km sind geschafft. Die restlichen Schritte wollen zwar auch noch gelaufen sein, Morgen, am letzten Tag des Monats. Aber der Winter müsste sich schon echt was einfallen lassen, um das jetzt noch zu verhindern. Notfalls spiele ich wieder "Schneepflug" und lege die erste Schneise in den Schnee.

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