Freitag, 18. Juli 2008

Zum Geburtstag eine Bestzeit


Bericht über den 10 Km Lauf bei den Roruper Abendläufen (Dülmen)
am 11. Juli 2008

Bei der Anfahrt nach Dülmen fallen vor allem die schmucken Siedlungen auf. Hier lässt es sich offensichtlich gut leben, wenn man es sich leisten kann. Aber ich will in Dülmen nichts besichtigen. Ich will an meinem Geburtstag 10 Km laufen und meine Bestzeit (59:22 Minuten) verbessern.

Auf dem Sportplatz in Rorup herrscht Betriebsamkeit. Als erstes stelle ich mich in die Schlange vor dem Toilettenwagen an. Das geht zum Glück zügig. Danach geht es zur Startnummernausgabe. Auch das geht fix. Gute Organisation. 4 Euro zahle ich als Voranmelder. Das ist konkurrenzlos günstig im Vergleich zu anderen Veranstaltern.

Zeit um sich zu orientieren. Als erstes finde ich den Zielbereich. Kein Wunder. Liegt direkt auf dem Sportplatz und es laufen gerade Läufer ein, die sich eine kurze Distanz ausgesucht haben. Bei dem Auffinden des Startpunktes brauche ich etwas länger. Der liegt außerhalb des Sportplatzgeländes. Starttransparent und das Gestänge liegen am Straßenrand.

Noch 40 Minuten bis zum Start. Etwas früh um sich einlaufen. Also gehe ich etwas ziellos rum. 18.45 Uhr. Eine viertel Stunde bis zum Start des Halbmarathons. Ich habe jetzt noch 25 Minuten Zeit. Ich trabe langsam los. Das linke Knie hatte tagsüber leicht geschmerzt. Jetzt gibt es Ruhe und auch sonst fühle ich mich ganz ok, so wie es halt vor so einem Lauf ist. Ich laufe bis zur Hinweistafel für den ersten Km und noch ein Stück weiter. Auf der Stirn hat sich ein dünner Schweißfilm gebildet. Die Sonne ist raus gekommen. Es ist aber nicht zu warm. Gute Laufbedingungen.

Über meinen Lauf habe mache ich mir keine Gedanken. Der Plan steht und nachdenken oder grübeln hilft jetzt auch nichts mehr. Ich will persönliche Bestzeit laufen. Sozusagen mein Geburtstagsgeschenk an mich selbst. Vielleicht vorne die „57“. Aber auch mit einer „58-er“ Zeit wäre ich zufrieden.

Zeit sich zum Startbereich zu begeben. Dort haben sich bereits die Halbmarathonläufer aufgestellt. Per Lautsprecher wird dazu aufgefordert die Strecke frei zu machen. Dann setzt sich das große Feld in Bewegung.

Ich begebe mich in den Startbereich. Ganz hinten will ich heute nicht stehen. Aus der Ergebnisliste von 2007 weiß ich, dass es eine ganze Reihe von Läufern geben wird, die noch langsamer sind als ich. Aber es ist schon das hintere Drittel, wo ich mich platziere. Vorne setzt sich das Feld in Bewegung. Es geht also los. An der Startlinie angekommen setze ich meine Stoppuhr in Bewegung.

Das Laufen im eng zusammengedrängten Feld macht ungeduldig. Man läuft Schulter an Schulter. Vorne und hinten eingekeilt. Das macht unruhig, wenn man Bestzeit laufen will und am Anfang noch ausgeruht und voller Energie ist. Nach wenigen hundert Metern spüre ich an meinem Atem, dass das Tempo so langsam nicht sein kann. Da wo es möglich ist laufe ich im Feld etwas nach vorn. Das Feld zieht sich jetzt zügig auseinander.

Wo ist das erste Kilometerschild? Ich sehe eine kleine Tafel am Boden; bin aber eingekeilt und kann nicht lesen, ob es eine Tafel für den 10 Km-Lauf ist. Der Startbereicht wurde für die verschiedenen Läufe verlegt. Entsprechend gibt es für die verschiedenen Läufe auch unterschiedliche Schilder. Ich lese meine Stoppuhr ab. 5:38 Minuten. Das wäre für den ersten Kilometer ganz flott. Beim 2. Kilometer habe ich keinerlei Zweifel. Die Uhr zeigt 11:32 verbrauchte Minuten. Ich bin gut im Rennen. Im Feld ist jetzt genug Platz. Schneller mag ich im Moment aber nicht. Sonst geht am Ende vielleicht die Puste aus.

Vor mir ist ein kleines „Loch“ entstanden. 10 m bis zu einer kleinen und wohl auch nicht homogenen Läufergruppe. Direkt hinter mir ist auch keiner. Ob ich ganz allein laufen muss?

Genau 17 Minuten nach 3 Kilometern. Eine Minute habe ich schon raus geholt. Ich nehme nämlich einen Schnitt von 6 Minuten für den Kilometer als Maßstab. Wenn ich das halte, dann kann es sogar eine „56-er“ Zeit werden. Mein Atem geht heftig. Die Realität zeigt sich nach 4 Km. 5:52 Minuten habe ich für den letzten Kilometer gebraucht. Der nächste ist auch nur 2 Sekunden schneller. 28:42 Minuten – Halbzeit!

Ich habe seit einiger Zeit im Feld „Anschluss“ gefunden. Bin zu einer kleinen Gruppe aufgelaufen. 1 ½ Schritte vor mir eine vermutlich jüngere blonde Läuferin. Ihre Hacken habe ich jetzt fest im Visier. Ich laufe ihr sozusagen hinterher. Sie hat einen guten und flüssigen Laufstil und läuft ein ziemlich gleichmäßiges Tempo. Das hilft. Maßstab bleibt aber das eigene Laufgefühl. Wie fühlen sich die Beine an? Wie geht der Atem? Würde die „Blonde“ schneller werden, dann würde ich sie ziehen lassen. Lässt sie nach, dann würde ich sie hinter mich lassen. Es passt aber erstmal.

Ich registriere wenig von meiner Umgebung. Ich laufe am Anschlag; das erfordert volle Konzentration. Ich schwitze aus allen Poren. Der Schweiß rinnt in die Augen. Ich nehme die Brille ab und wische mit der Hand durchs klatschnasse Gesicht. Die Brille rutscht. In die Hand nehmen? Nein, könnte sie verlieren. Ich versuche das alles hinzunehmen und will mich auf das Tempo konzentrieren.

Zwischen dem 7. und 8. Kilometer ist an einem Bauernhof richtig Rambazamba. Laute Musik, viele Leute. Sie nutzen die Laufveranstaltung, machen richtig Fete und feuern die Läufer an. „Schneller, schneller,“ schallt es aus einigen Kinderkehlen. Wenn die wüssten. Mit einem Schlauch wird eine Wasserfontäne zum „abkühlen“ über den Weg erzeugt. Keine Chance dran vorbei zu laufen. Jetzt habe ich nicht nur den Schweiß sondern auch noch Wassertropfen auf der Brille. War aber sicher gut gemeint.

Nach 8 Km liege ich bei 45.45 Minuten. Das sieht zeitlich prima aus. Ob ich das halten kann? Bloß nicht nachlassen. Dagegen halten, auch wenn es jetzt spürbar anstrengender wird.
Die „Blonde“ setzt sich ein paar Schritte von mir ab. Langsam nur, aber sichtbar. An den Zeiten sehe ich aber dass ich mein Tempo halte. Ich lasse sie ziehen.

„Selbst wenn ich jetzt noch einbreche, werde ich wohl Bestzeit laufen.“ Ein gefährlicher Gedanke, den ich mir gleich wieder verbiete. Ich suche nach Motivation. Hatte heute ein unerfreuliches Erlebnis. Ich erinnere mich. Ich spüre es wie Nadelstiche. Das hilft. Ich mobilisiere alle Kräfte. Die negativen Gedanken verschwinden schnell wieder. Sie haben in dieser Phase ihren Dienst getan.

51.37 Minuten sind gelaufen. Noch 1 Km. Jetzt nur gleichmäßig durchlaufen. Ich bin am Limit. Die Umgebung wird zu einem unwirklichen Film. Dann vor mir der Sportplatz. Jetzt ein scharfer Linksknick. Noch diese eine Runde auf dem Rasen. Das macht die Beine noch schwerer. Diese Sportplatzrunde ist ein psychologischer Hammer. Erst eine „lange“ Gerade. Dann eine „lange“ Kurve. Und dann noch eine „lange“ Gerade. Das alles sichtbar vor den Augen. Nicht schlapp machen, nichts verschenken. Dafür bist du jetzt schon zu lange gelaufen.

Über den Lautsprecher höre ich meinen Namen: „Dietmar Schramm aus Recklinghausen.“ „Ist völlig kaputt, aber gleich im Ziel“, hätte ich noch schnaufend ergänzen können. Und dann ist es soweit. Ich stoppe: 57:16 Minuten. Das ist grandios. Zwar hatte ich es mir vorher zugetraut. Aber grau ist die Theorie. Jetzt habe ich es auch gelaufen. Für einen Moment bin ich richtig fertig und möchte mich auf den Rasen knallen. Habe aber Angst vor „erste Hilfe“ und bleibe stehen. Ich bekomme einen Becher mit irgend so einem Getränk gereicht. Wasser ist es nicht. Aber nach dem 2. Becher geht es mir wieder prima. Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd, als hätte ich sonst was gewonnen.

Später gibt’s die Urkunde: 57:24 Minuten (brutto). Dann noch 2 Bilder zu je 3 Euro, kurz vor dem Ziel geschossen. Da war ich schon in der „Knautschzone“. Egal oder gerade deshalb so schön. Habe mir mein Geschenk „abgeholt“. Diesen Geburtstag werde ich wohl nicht mehr vergessen.

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