Donnerstag, 15. November 2007

Kleine Taschenlampe (b)renn ...

6.30 Uhr, ich komme nach Hause. Nicht von der Nachtschicht, auch nicht aus dem Recklinghäuser Nachtleben. Nein, vom Laufen. 80 Minuten wirklich langsamer Dauerlauf liegen hinter mir. Hatte keine Angst vor Mittagshitze oder so. Musste einfach raus. OK, der Wecker war je auf 5.20 Uhr gestellt. Laufen war auch vorgesehen. Aber heute brauchte ich keinen Wecker und ich brauchte auch keinen Blick auf einen Trainingsplan. Hatte mich gestern schwarz geärgert, schlecht geschlafen. Passiert ja manchmal. Kopfschmerzen, die Augen brennen. Jetzt hilft nur noch laufen. Warum eigentlich? Ich kann es nicht wirklich erklären. Ich weiß nur dass es funktioniert. Laufen macht den Kopf wieder frei.

4.50 Uhr raffe ich mich also auf. Etwas Recken und Strecken, die Beine ausschütteln. Laufsachen an, erstmals in diesem Herbst noch eine Laufjacke drüber, Wollmütze auf dem Kopf und Handschuhe an. Raus an die frische Luft. Es ist sternenklar und natürlich stockdunkel. Macht nichts. Meine Hausrunde kenne ich in- und auswendig. Auch wo die Pfützen liegen weiß ich ohne dass ich großartig was sehen muss. Außerdem habe ich meine Taschenlampe dabei, aber hauptsächlich um mich bemerkbar machen zu können. Es geht ein Stück über einen von Anliegern befahrenen Wirtschaftsweg. Und die kennen morgens im Dunkeln nur wenig Pardon und fahren wie die Irren. Ich laufe los, gedankenschwer und fest entschlossen, den Ballast wegzulaufen. Die frühe Stunde und die Dunkelheit haben einen Vorteil. Ich laufe langsam. Niemand sieht mich. Keiner beobachtet mich. Manchmal gibt man bei Passanten ja doch etwas Gas, damit die nicht denken, der hat sie nicht alle mehr. Obwohl ich mir da eine gewisse Souveränität angeeignet habe. Ich laufe bei den beiden Suderwicher Firmen Kolk und Scholz vorbei. Noch nichts los. Aber es gibt in diesem Bereich etwas Licht. Mir wird warm. Die Wollmütze ziehe ich mir vom Kopf und stecke sie in die Jackentasche. Es ist zwar kalt aber windstill. Der Boden ist, wo er nicht asphaltiert ist, leicht angefroren. Aber doch nicht überall und ich gebe zu, dass ich wohl doch nicht jedes Matschloch kenne. Anfangs beschäftige ich mich noch mit der Frage, was denn gestern eigentlich los war. Bald interessiert mich das nicht mehr. Heute ist ein anderer Tag und jetzt laufe ich erstmal. In meiner zweiten Runde fährt die Morgenschicht bei der Firma Kolk vor. Bei Farben Scholz sehe ich heute und auch sonst kaum mal Mitarbeiter vorfahren. So ein großes Gelände, da sind doch Leute beschäftigt. Na ja, die fangen vielleicht erst um sieben an.

Ich laufe ohne auch nur einmal auf die Uhr zu schauen. Interessiert mich nicht. Müsste ja auch den Handschuh ausziehen. Ich habe in den letzten Wochen viel übers Lauftraining gelesen. Habe ich ja vorher auch schon gemacht. Mit etwas mehr Erfahrung kann man die Dinge wahrscheinlich besser einschätzen. Mit dem Gedanken Marathon zu laufen bin ich langsamer gelaufen und immer weitere Strecken. Das war vom Tempo her viel Einheitsbrei und dann habe ich mich gewundert, dass ich den Marathon zwar von der Länge ganz gut hinbekommen habe, aber eben auch nur in einem langsamen Tempo. Jetzt versuche ich mehr „Qualität“ ins Training rein zu bekommen und zu variieren: langsam, mittel, schnell. Heute laufe ich für meinen Kopf und nicht für irgendein Laufziel. Das klappt. Nach einer Stunde laufen geht mir plötzlich ein Lied durch den Kopf. „Kleine Taschenlampe brenn“. Neue Deutsche Welle. „Ich sitze hier auf meinem Stern … ich warte auf die Nacht denn da kannst du mich gut sehen ich hab so Sehnsucht bin allein bitte komm doch heut noch ja wir lieben uns nur von der fern … „ oder so ähnlich. Also die Gespenster im Kopf sind jedenfalls weg.

Zuhause! Ich nehme die Zeitung mit nach oben, die ich aber nicht mehr lese. Heiße Dusche. Das tut gut. Später schreibe ich noch ins Lauftagebuch: 80 Minuten langsamer Dauerlauf. Aber dieser Eintrag ist heute nur die halbe Geschichte.

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