Das
erste Frühstück nach 106 Stunden Volldiät, dass heißt für diese
Zeit: kein Essen und kein Trinken, Versorgung nur über den Tropf.
Dann endlich! Ein Pott Kaffee, ein Brötchen mit Käse und Schinken,
eine Scheibe Weißbrot mit etwas Marmelade und ein Ei. So einfach
kann der Himmel auf Erden sein. Ich lasse mir Zeit, sehr viel Zeit.
Will den Geschmack aufsaugen, jeden Krümel spüren. Es sind
großartige Augenblicke, die ich über viele Stunden herbeigesehnt
habe.
Die
vor einigen Tagen an mich gerichtete Frage wird wieder präsent:
„Gibt es denn im Leben nichts Wichtigeres als Laufen?“ Diese
Frage musste ich mir gefallen lassen, nachdem ich von der
Notwendigkeit der OP erfahren hatte und mir als Erstes die
zugegebener Maßen nicht sehr intelligente Bemerkung raus gerutscht
ist, dass ich dann ja gar nicht laufen kann.
Selbstverständlich
ist das Laufen nicht das Wichtigste. So hatte ich es auch nie
verstanden. Laufen tut mir gut, es macht den Kopf frei, hält mich
fit und ist gesundheitsfördernd. Die Bewegung in der Natur
entspannt, ist manchmal sogar spannend und in aller Regel genieße
ich das Laufen. Laufen ist Leben. Aber das Leben besteht nicht nur
aus Laufen.
Ich
habe im Krankenhaus zu der Thematik einen bemerkenswerten Artikel im
„Stern“ (Nr. 30 vom 18.07.2013) gelesen. Unter der Überschrift
“Was dem Herzen gut tut“ wird von einem ambitionierten
60-jährigen Freizeitsportler berichtet.Sehr fit und sehr gut
trainiert wollte er an einem Ironman teilnehmen: 3,8 Kilometer
Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dann noch einen Marathon
laufen. Zwei Tage vor dem sportlichen Großereignis liegt er mit
Herzproblemen im Krankenhaus. Die Ursachensuche gestaltet sich
kompliziert und komplex. Anspruchsvolle berufliche Tätigkeit mit
häufig mehr als zehn Arbeitsstunden am Tag. Dann ambitionierter
Leistungssport mit enormer zeitlicher Beanspruchung. Sport nicht als
Ausgleich, sondern mit sehr anspruchsvoller Zielsetzung und einem
knallharten Trainingsplan. Preußische Disziplin im Beruf und im
Privatleben. Irgendwann kapituliert das System.
Nicht
dass ich mich in dieser Geschichte wieder finden würde. Aber die
Kernfrage stellt sich auch nach meinem kleinen Krankenhausaufenthalt
dann auch. Was ist das Wesentliche und welchen Weg schlägt man für
sich ein. Die Frage lässt sich nur individuell beantworten und ich
habe nicht vor dazu etwas zum Besten zugeben. Aber vielleicht soviel:
Offene oder „geheime“ Zielvorgaben können Motivation sein. Aber:
je größer die Erwartungshaltung, desto problematischer wird es,
wenn etwas dazwischen kommt. Hätte ich mir beispielsweise
vorgenommen ein Jahr lang täglich zu laufen, dann wäre ich bereits
nach einem halben Jahr zum zweiten Mal gescheitert. So aber konnte
ich nach jeder dieser beiden kurzen Unterbrechungen wieder neu
anfangen, ohne die „Bürde einer Niederlage“ mit herumtragen zu
müssen. So fängt es jetzt einfach von vorne an. Nichts ist „kaputt“
gegangen. Entsprechend verhält es sich mit dem Thema „Marathon“.
Immer noch würde ich gerne einen solchen laufen. Aber die
biologische Uhr tickt unerbittlich und scheinbar auch immer
schneller. So ist mein Plan einfach nur immer wieder Mal einen
längeren Lauf einzubauen und dann zu sehen, wohin das führt. Mein
längster Lauf in diesem Jahr liegt bei fast knapp 26 Kilometer und
ich habe mich sehr darüber gefreut, als ich das geschafft habe. Es
gab für diesen Lauf nicht einmal eine entsprechende Vorgabe.
Durch
meine kleine Krankenhausgeschichte bringe ich den Dingen die mir
möglich sind und die mir gelingen eine größere Wertschätzung
entgegen. Jeder Lauf den ich machen kann hat seinen ganz speziellen
Wert. Höchstleistungen sind mir weder möglich noch sind sie
erforderlich.
Die
gesteigerte Wertschätzung betrifft selbstverständlich nicht nur das
Laufen. Essen und Trinken, ich habe es erfahren, sind etwas
unvergleichbar Kostbares. Und so hat die Unterbrechung meines
Täglichlaufen ungemein wichtige Dinge ins rechte Licht gerückt.
Was
das Laufen angeht, es findet bereits seit Montag seine Fortsetzung.
So einfach ist das.
2 Kommentare:
Hallo Dietmar,
im Leben ist alles wichtig. Und im Leben ist nichts wichtig. Für mich gibt es kein richtig oder falsch. Täglichlaufen ist lange nicht alles, aber ich möchte es nicht missen – zudem tangiert es die Gesundheit in mehr als positiver Weise. Auch für gesunden Sport gilt eine banale Binsenweisheit, man sollte nichts übertreiben. Denn alles was man übertreibt, wandelt sich in Traurigkeit – Dein Artikel im Stern ist ein gutes Beispiel dafür.
Wie auch immer, jeder muß seinen Weg gehen und jeder sieht die Welt mit anderen Augen. Einst habe ich mich über Goldmedaillen gefreut und heute erkenne ich, was ich doch für ein Narr war, so ein albernes Metall wertzuschätzen. Heute freue ich mich über die einsamen Blumen am Rand des Weges, die sich im Wind biegen – das ist wirklich wichtig (für mich). Ich habe meinen Weg in der Natur gefunden und meine Jahre im Täglichlaufen geben mir recht.
Mögest Du Deinen eigenen Weg finden und gehen. Doch werde und bleibe gesund dabei – alles andere ist unwichtig.
Liebe Grüße,
Marcus
Danke lieber Marcus für die Darstellung Deiner Sicht. So ganz weit sind wir wohl nicht auseinander.
Liebe Grüße
Dietmar
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