Dienstag, 23. Juli 2013

Das wichtigste im Leben!?






Das erste Frühstück nach 106 Stunden Volldiät, dass heißt für diese Zeit: kein Essen und kein Trinken, Versorgung nur über den Tropf. Dann endlich! Ein Pott Kaffee, ein Brötchen mit Käse und Schinken, eine Scheibe Weißbrot mit etwas Marmelade und ein Ei. So einfach kann der Himmel auf Erden sein. Ich lasse mir Zeit, sehr viel Zeit. Will den Geschmack aufsaugen, jeden Krümel spüren. Es sind großartige Augenblicke, die ich über viele Stunden herbeigesehnt habe.


Die vor einigen Tagen an mich gerichtete Frage wird wieder präsent: „Gibt es denn im Leben nichts Wichtigeres als Laufen?“ Diese Frage musste ich mir gefallen lassen, nachdem ich von der Notwendigkeit der OP erfahren hatte und mir als Erstes die zugegebener Maßen nicht sehr intelligente Bemerkung raus gerutscht ist, dass ich dann ja gar nicht laufen kann.

Selbstverständlich ist das Laufen nicht das Wichtigste. So hatte ich es auch nie verstanden. Laufen tut mir gut, es macht den Kopf frei, hält mich fit und ist gesundheitsfördernd. Die Bewegung in der Natur entspannt, ist manchmal sogar spannend und in aller Regel genieße ich das Laufen. Laufen ist Leben. Aber das Leben besteht nicht nur aus Laufen.

Ich habe im Krankenhaus zu der Thematik einen bemerkenswerten Artikel im „Stern“ (Nr. 30 vom 18.07.2013) gelesen. Unter der Überschrift “Was dem Herzen gut tut“ wird von einem ambitionierten 60-jährigen Freizeitsportler berichtet.Sehr fit und sehr gut trainiert wollte er an einem Ironman teilnehmen: 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und dann noch einen Marathon laufen. Zwei Tage vor dem sportlichen Großereignis liegt er mit Herzproblemen im Krankenhaus. Die Ursachensuche gestaltet sich kompliziert und komplex. Anspruchsvolle berufliche Tätigkeit mit häufig mehr als zehn Arbeitsstunden am Tag. Dann ambitionierter Leistungssport mit enormer zeitlicher Beanspruchung. Sport nicht als Ausgleich, sondern mit sehr anspruchsvoller Zielsetzung und einem knallharten Trainingsplan. Preußische Disziplin im Beruf und im Privatleben. Irgendwann kapituliert das System.

Nicht dass ich mich in dieser Geschichte wieder finden würde. Aber die Kernfrage stellt sich auch nach meinem kleinen Krankenhausaufenthalt dann auch. Was ist das Wesentliche und welchen Weg schlägt man für sich ein. Die Frage lässt sich nur individuell beantworten und ich habe nicht vor dazu etwas zum Besten zugeben. Aber vielleicht soviel: Offene oder „geheime“ Zielvorgaben können Motivation sein. Aber: je größer die Erwartungshaltung, desto problematischer wird es, wenn etwas dazwischen kommt. Hätte ich mir beispielsweise vorgenommen ein Jahr lang täglich zu laufen, dann wäre ich bereits nach einem halben Jahr zum zweiten Mal gescheitert. So aber konnte ich nach jeder dieser beiden kurzen Unterbrechungen wieder neu anfangen, ohne die „Bürde einer Niederlage“ mit herumtragen zu müssen. So fängt es jetzt einfach von vorne an. Nichts ist „kaputt“ gegangen. Entsprechend verhält es sich mit dem Thema „Marathon“. Immer noch würde ich gerne einen solchen laufen. Aber die biologische Uhr tickt unerbittlich und scheinbar auch immer schneller. So ist mein Plan einfach nur immer wieder Mal einen längeren Lauf einzubauen und dann zu sehen, wohin das führt. Mein längster Lauf in diesem Jahr liegt bei fast knapp 26 Kilometer und ich habe mich sehr darüber gefreut, als ich das geschafft habe. Es gab für diesen Lauf nicht einmal eine entsprechende Vorgabe.

Durch meine kleine Krankenhausgeschichte bringe ich den Dingen die mir möglich sind und die mir gelingen eine größere Wertschätzung entgegen. Jeder Lauf den ich machen kann hat seinen ganz speziellen Wert. Höchstleistungen sind mir weder möglich noch sind sie erforderlich.

Die gesteigerte Wertschätzung betrifft selbstverständlich nicht nur das Laufen. Essen und Trinken, ich habe es erfahren, sind etwas unvergleichbar Kostbares. Und so hat die Unterbrechung meines Täglichlaufen ungemein wichtige Dinge ins rechte Licht gerückt.

Was das Laufen angeht, es findet bereits seit Montag seine Fortsetzung. So einfach ist das.

2 Kommentare:

Marcus hat gesagt…

Hallo Dietmar,

im Leben ist alles wichtig. Und im Leben ist nichts wichtig. Für mich gibt es kein richtig oder falsch. Täglichlaufen ist lange nicht alles, aber ich möchte es nicht missen – zudem tangiert es die Gesundheit in mehr als positiver Weise. Auch für gesunden Sport gilt eine banale Binsenweisheit, man sollte nichts übertreiben. Denn alles was man übertreibt, wandelt sich in Traurigkeit – Dein Artikel im Stern ist ein gutes Beispiel dafür.

Wie auch immer, jeder muß seinen Weg gehen und jeder sieht die Welt mit anderen Augen. Einst habe ich mich über Goldmedaillen gefreut und heute erkenne ich, was ich doch für ein Narr war, so ein albernes Metall wertzuschätzen. Heute freue ich mich über die einsamen Blumen am Rand des Weges, die sich im Wind biegen – das ist wirklich wichtig (für mich). Ich habe meinen Weg in der Natur gefunden und meine Jahre im Täglichlaufen geben mir recht.

Mögest Du Deinen eigenen Weg finden und gehen. Doch werde und bleibe gesund dabei – alles andere ist unwichtig.

Liebe Grüße,

Marcus

Running Wiesel hat gesagt…

Danke lieber Marcus für die Darstellung Deiner Sicht. So ganz weit sind wir wohl nicht auseinander.

Liebe Grüße
Dietmar