Montag, 9. November 2009

Der Wald vom Bottroper Herbstwaldlauf












Frühstück am Sonntagmorgen um 7 Uhr ist für ein Frühaufsteher kein Problem. Habe allerdings keinen großen Appetit. Zwei etwas kärglich belegte Scheiben Brot, 1 Ei und ein Pott Kaffee. Mehr kriege ich nicht runter. Nervös, ein klein bisschen schon. Dabei soll es doch nur ein Trainingslauf unter ernsthaften Bedingungen werden. Und überhaupt, es treibt mich doch keiner. Ausser ich mich selbst.
Draußen kündigt sich ein herrlicher Novembertag an. November und herrlich? Es ist aber tatsächlich kein Wölkchen am Himmel und noch fast ganz windstill. Aber kalt ist es, nicht einmal ganz 4 Grad. Also auf nach Bottrop. Ziemlich spät, denn die Startnummer habe ich schon. Und bei der Kälte möchte ich mir nicht unnötig lange vor Ort die Beine in den Bauch stehen.
Es reicht gerade für ein paar Minuten zum Einlaufen. Dann reihe ich mich ein, ganz hinten. Das Feld braucht dann einige Zeit, bis auch das Ende sich in Gang setzen kann. Knapp 500 Läuferinnen und Läufer und Läufer machen sich auf den Weg. Wir da hinten kommen gleich ins Gespräch. Läufer-Small-Talk! Eine Mitläuferin erzählt, dass sie zum ersten Mal auf eine so lange Distanz geht, dass sie bisher erst einen Halbmarathon gelaufen sei und sich ein bisschen Sorgen macht, weil sie eine Muskelverletzung hatte. Ob ich denn auch schon mal so eine lange Strecke gelaufen wäre? Was soll ich sagen? Mittlerweile habe ich ja schon einiges zusammen gelaufen. Ich erzähle, dass ich im Dezember noch einen Marathon laufen will. "Den Siebengebirgsmarathon," fragt ein Läufer neben mir? Ich bestätige. Ganz überraschend ist die Vermutung nicht; soviele Marathonveranstaltungen finden im Dezember ja nicht mehr statt. Aber immerhin, da kennt sich jemand aus. Der Läufer berichtet, dass er im Siebengebirge ebenfalls an den Start geht, über die Halbmarathondistanz. So kriegen wir im Gespräch die ersten Minuten rum. Das Feld hat sich jetzt etwas auseinandergezogen. Hinten ist es ganz gemütlich und nett, man unterhält sich prima. Aber es ist mir doch etwas zu langsam und ich nutze den jetzt vorhandenen Platz, um etwas schneller werden zu können.
Nach dem ersten Kilometer lese ich 6:30 Minuten. So täuscht man sich eben am Anfang, wenn man ausgeruht ist. Ich wollte etwas unter 7 Minuten bleiben. 6:45 Minuten wären ein vernünftiger Start gewesen. 6:30 Minuten scheinen mir auf Dauer gesehen zu schnell. Ich habe seit Monaten nichts mehr für`s Tempo gemacht. Also muss ich vorsichtig sein. Die nächsten Kilometertafeln übersehe ich. Bei Kilometer 4 stelle ich fest, dass ich vernünftiger Weise etwas gedrosselt habe. Es läuft sich gut. Mir ist inzwischen warm vom Laufen. Die Handschuhe habe ich längst ausgezogen und halte sie in den Fäusten fest; die Kappe habe ich zum Glück nicht mitgenommen. Es ist ein herrlicher, sonniger Tag.
Wenn man sich zum ersten Mal zum "Herbstwaldlauf" nach Bottrop begibt, was erwartet man da? Sicher, Wald; schließlich heißt der Lauf entsprechend. Ein bisschen Wald habe ich ja auch erwartet. Aber Bottrop und Wald? Was ich 25 Km lang gesehen habe, 2:42,29 Stunden lang: Wald, nichts als Wald. Ehrlich so viel und so viel schönen Wald habe ich nicht erwartet. Mehr Wald gab es vor 14 Tagen im Siebengebirge auch nicht. Dafür gibt es hier keine Berge. Darüber bin ich heute auch nicht traurig. Sicher, etwas wellig ist es schon. Aber wenn man den Drachenlauf hinter sich hat, dann ist das in Bottrop doch harmlos. Jedenfalls zu Beginn. Es ist ein sehr, sehr schöner Landschaftslauf, mit kleinen Gewässern und eben jede Menge Wald. Ich bin begeistert. Und ich teile das dem Läufer, neben dem ich schon eine ganze Zeit hertrotte auch so mit. Der kennt das schon aus einigen Teilnahmen. Ich erfahre, dass wir in diesem Jahr einige gemeinsame Veranstaltungen gelaufen sind. Die Winterlaufserie in Duisburg und den Hermannslauf.
Das Tempo hat inzwischen wieder etwas angezogen. Das ist anders als im Training, wenn man alleine läuft. Bei so einer Veranstaltung läuft man automatisch schneller. Die 10 Km laufe ich in genau 63 Minuten. Ich fühle mich zwar noch gut dabei. Aber habe doch auch Zweifel, ob ich nicht überziehe. Aber jetzt ist es fast zu spät für Korrekturen. Man muss halt sehen, wie es geht. Und es geht ganz gut weiter. Die nächsten 5 Km in 32:15 Minuten, also nicht viel langsamer. Nach 15 Km spüre ich aber schon, dass dies kein Trainingslauftempo mehr ist. Und ich mache mir weiterhin Gedanken, ob ich nicht ein späteres Einbrechen riskiere. Nach passieren der 15 Km-Marke gibt es ein kleines Gefällstück. Ich habe Spaß daran mit dem Tempo anzuziehen. Habe das ja schließlich vor dem Drachenlauf ausgiebig trainiert. Aber was heißt das schon, Gefälle. Meinen Mitläufer auf den letzten Kilometern habe ich jetzt verloren. Er hatte schon angekündigt, dass er wohl bald Tribut zollen muss. Der 16 Kilometer ist wohl mein schnellster im ganzen Rennen. Nur wenig mehr als 6 Minuten. Ich spüre, dass ich dafür bezahlen muss. Jetzt wird jeder Kilometer eine Herausforderung. 20 Km laufe ich in 2:07:30 Stunden. Nach den ersten 10 Km in 63 Minuten brauche ich für den zweiten Zehner 65 Minuten. Davon waren die letzten beiden Kilometer schon deutlich langsamer.
Bei der letzten Verpflegungsstation etwa bei 22 Km schlage ich nochmal richtig zu. Jetzt gibt es erstmals für mich Cola und natürlich ein kleines Stück Banane. Ich genieße die kleine Pause und fühle mich ziemlich platt. Die Beine werden immer schwerer. Ich erwarte eigentlich, dass Läufer, die ich ab Km 15 "eingesammelt" habe, mich wiederum überholen. Passiert aber nicht.
Dann gibt es ein großes Hallo. Eine echte Überraschung. Eine ganze Zeit kommen mir 50 Km-Läufer entgegen. Habe ich etwas falsch gemacht? Nein, alles ist richtig. Mit einem Mal kommt mir ein bekanntes Gesicht engegen. Viele Läufer kenne ich nicht, die 50 Km laufen. Da kommt aber ein Gesicht, das kenne ich, auch wenn wir uns schon bald 3 Jahre nicht mehr gesehen haben. Mein Bergkamerad Jörg; wir haben 2006 zusammen mit einer Gruppe eine Tour durch die Öztaler Alpen gemacht. Jetzt sind wir beide baff. Halten für den Bruchteil einer Sekunde inne; ein kurzes freudiges Hallo und dann muss es weiter gehen. Einen 50- und einen 25 Km-Läufer kann man halt nicht stoppen.
Ein Fotograf an der Strecke motiviert mich nochmal zum Winken und dem Versuch ein freundliches Gesicht zu machen. Das war aber wohl auch das letzte Mal bei diesem Lauf. Ein kleiner Anstieg, ich bin platt. 2 Km noch, so schrecklich viel. Ich kalkuliere mit der Zeit. Ich werde schneller sein als ich vorher erwartet habe, aber ich lasse jetzt auch viele Sekunden liegen.
Der letzte Kilometer. Jetzt läuft doch noch eine Läuferin von hinten auf mich auf. Nicht dass sie gerade spurtet. Sie hat halt ihre Kräfte gleichmäßiger eingeteilt und läuft mir davon. Etwa 30 Sekunden nimmt sie mir bis zum Ziel ab. Respekt. Inzwischen habe ich den Förderturm der Zeche Prosper Daniel entdeckt. Gleich ist das Ziel in Sicht. Ich versuche optisch "anständig" zu laufen. Fällt schwer mit schweren Beinen.
Auf den letzten 150 m spüre ich ansatzweise einen Krampf. Das muss jetzt doch wohl nicht sein!Aber es geht zum Glück sofort wieder. Der gute Mann am Mikrofon nennt meinen Namen. Ich habe das Ziel erreicht; meine Uhr mit 2:40:51 Stunden gestoppt. Die offizielle Bruttozeit beträgt 2:41:29 Stunden. Ich bekomme meine Medaille und ich sehe zu, dass ich noch etwas Flüssigkeit bekomme. Außerdem gibt`s im Zielbereich salzige Kekse. Auch nicht schlecht.
Meine "Sorge" vor dem Start war, dass ich von den schnellsten 50 Km-Läufern überrundet werde. Das ist aber nicht passiert und so warte ich mit am Ziel gespannt auf den ersten 50 Km-Läufer. Aber zuächst kommen noch einige Teilnehmer aus meinem eigenen Lauf. Auch mein Begleiter bis Km 15 trifft ein. Dann ist es soweit und der Moderator überschlägt sich. Es ist ein Läufer des veranstaltenden Vereins, der den Sieg herausläuft, in knapp 3:40 Stunden. Ich bin beeindruckt und nehme das als abschließendes schönes Zusatzerlebnis mit auf die Heimfahrt.




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