Montag, 26. Oktober 2009

Drachenlauf im Siebengebirge












Als ich 3 Wochen vor dem Drachenlauf meine Teilnahme angemeldet habe, war mir der Gedanke da mitzulaufen schon wochenlang durch den Kopf gegeistert. Auf der Suche nach Informationen über den 7Gebirgsmarathon, zu dem ich bereits angemeldet war, bin ich auf die Homepage des Drachenlaufs gestoßen. 25,6 Km über die Gipfel des Siebengebirges und dabei fast 1.000 Höhenmeter zu überwinden, das schien mir eine schier unmögliche und zugleich ungemein faszinierende Herausforderung. Ich hielt es für mich aber nicht für machbar. Trotzdem schaute ich immer wieder auf die Homepage, hatte die limitierte Teilnehmerliste im Auge und trainierte vermehrt an der Halde, um Höhenmeter zu sammeln. Nach einem gelungenen Trainingslauf folgte ich meinem Bauchgefühl und meldete mich an. Da ich im Frühjahr den Hermannslauf mit gut 500 Höhenmetern, auf einer längeren Strecke verteilt, mitgelaufen war, erahnte ich jetzt, dass es ein knochenhartes Vorhaben war. Ich schaute mir die Ergebnisliste des Drachenlaufes von 2008 an. Der langsamste Läufer hatte 4 Stunden gebraucht. In diesem Bereich stufte ich mich selbst auch ein. In den 3 verbleibenden Wochen trainierte ich am Limit. Insbesondere mein rechtes Knie machte mir beim bergab laufen Sorgen. Zunehmend traten Schmerzen auf. In der letzten Woche lief ich daher nur noch einmal flache 16 Km und dann nochmal auf der Halde, wo ich es bei 220 Höhenmetern beließ. Dann 2 Tage Laufpause und die Hoffnung, dass dies ausreichend für eine Erholung sein würde.

Sonntag dann nach Königswinter-Thomasberg. Schon beim Abholen der Startunterlagen glaubte ich einen ersten kleinen Eindruck von dem bevorstehenden Berglauf bekommen zu haben. Ich ermahnte mich nochmals äußerst behutsam anzufangen und nicht beim ersten Anstieg die Kräfte zu verpulvern. Nach dem "Final Countdown" und dem runter zählen ab 10 wurden wir auf die Strecke geschickt. Zunächst ein kurzes flaches Stück und dann in Richtung Ölberg 220 Höhenmeter aufwärts. Der erste steile Anstieg ließ nicht lange auf sich warten. Doch noch sind alle ausgeruht, um die schöne Landschaft bei herrlichem Wetter zu genießen. Nachdem der erste Berg passiert ist, geht es mit zügigem Tempo abwärts. Runter geht es immer flotter als rauf, zumal wenn die Kräfte noch nicht aufgebraucht sind. Doch der nächste Berg steht schon bevor, der Lohrberg, schon wieder 200 Höhenmeter. In der Streckenbeschreibung wird der Lohberg als harmlos charakterisiert. Ich würde ihn mit meinem Trainingsgelände an der Halde vergleichen, nur eben doppelt so lange nach oben. Das ist dann schon ein langes End und irgendwie registriere ich gar nicht, dass ich da oben etwas erreicht habe. Es gibt dann eine Gefällstrecke, die schnell durchlaufen ist und schon wieder geht es hoch zur Löwenburg. Das ist ganz schön steil und zügiges Schreiten bringt mehr als kramhaft zu versuchen einen Laufschritt beizubehalten. Harmlos? Inzwischen spüre ich nach dem auf und ab meine Beine schwerer werden.

Die Landschaft ist aber sehr reizvoll, ich habe meine kleine Fotokamera dabei und kann nicht länger widerstehen. Schnell zwei Fotos. Dabei verliere ich den Anschluss zu einer kleinen Laufgruppe. Aber es war absehbar, dass diese ohnehin keinen Bestand haben kann. Jeder läuft was er kann. Und der Weg ist noch lang. Endlich die Löwenburg in Sicht, ein schönes Fotomotiv. Auch die Aussicht ist einfach nur fantastisch.

Jetzt geht es wieder abwärts und erneut die Möglichkeit etwas Tempo aufzunehmen. Das Gefälle ist keinesfalls gleichmäßig verteilt. Mal ist es ziemlich flach und dann geht es wieder sehr steil nach unten. Und wenn es lange runter geht, dann spürt man das bald in den Beinen. Auch der Untergrund hat es in sich. Steinig und sehr holprig. Das geht voll auf die Gelenke und bald fangen die Füße an zu schmerzen. Der Moderator hattte spaßeshalber beim Start darauf hingewiesen, dass es sich nicht um eine Tartanbahn handeln würde. Er hatte dabei so was von recht.

Ich bin allein auf weiter Flur, was Mitläufer angeht. Dagegen sind viele Spaziergänger bei dem schönen Wetter unterwegs. Ich frage mich inzwischen, wann es "endlich" wieder nach oben geht, Richtung Drachenfels. Dass zunächst die "Wolkenburg" zu passieren sein wird, ist mir nicht bewusst. Klar ist nur, dass ich immer mehr meine Beine spüre. Als deutliche Zeichen, dass es nach einiger Zeit des Anstiegs der richtige Weg ist, erhasche ich einen Blick auf die Drachenfelsbahn, die gerade nach oben fährt. Haben die es gut, denke ich noch, bevor es ein nicht allzulanges Stück steil nach oben geht. Ich habe die Aussichtsplattform am Drachenfels erreicht. Hier herrscht lebhafter Touristenbetrieb, wenn es auch nicht so voll ist, wie es befürchtet hatte. Trotzdem habe ich keine Lust mich hier aufzuhalten und verzichte auf die schöne Aussicht. Jetzt geht es wieder abwärts und zwar teilweise unangenehm steil. Es ist sehr beschwerlich das Tempo aufzufangen, Gleichgewicht zu halten und den nicht immer griffigen Untergrund zu bewältigen. Mein rechtes Knie schmerzt seit dem letzten Anstieg und ich habe erstmals ernsthaftere Probleme die Gefällstrecke zu laufen. Laut Streckenbeschreibung sind es nur 1,9 Km. Mir scheint es wie eine Ewigkeit. Innerlich bereite ich mich schon auf die größte Herausforderung des gesamten Laufes vor., den Anstieg zum Petersberg. Dass ich schliesslich den tiefsten Punkt der Strecke mit circa 50 m ü. NN erreicht habe, ruft mir ein freundlicher Streckenposten zu: "Talsohle erreicht!"

Petersberg ich komme. Zunächst ein kleines Stück Straße entlang. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es so glatt und gleichmäßig weiter geht. Und ich soll recht behalten. Ich bin mir zunächst nicht ganz sicher, ob ich den richtigen Einstieg erwischt habe. Der Pfad ist so schmal, holprig und steil, da werden die uns doch nicht hoch jagen wollen? Von jagen kann auch keine Rede mehr sein. Ich schreite nicht einmal mehr. Ich krieche jetzt förmlich den Berg hoch. Kriechspur sozusagen. Der berüchtigte "Bittweg" ist erreicht. 2,9 Km lang und 250 Höhenmeter sind zu überwinden. Beim Erreichen der Talsohle habe ich mir die Höhenmeter auf meiner Uhr gemerkt. Jetzt ist jeder weiterer Höhenmeter ein Gewinn.

Ich werde von zwei Mountainbikern überholt. Die Frau verschaltet sich und verliert den Rhythmus. Der Anstieg ist so steil, dass sie es nicht in den Griff bekommt. Der männliche Begleiter fängt an zu keifen. An ihrer Stelle würde ich ihm einen Vogel zeigen und wieder runter fahren. Auf einem kurzen Flachstück gelingt es der Frau wieder Fahrt aufzunehmen. Eine Weile habe ich die beiden noch im Blick.

Das 20 km-Hinweisschild taucht vor mir auf. Soll ich mich freuen oder fluchen? Der Höhenmesser zeigt mir an, dass ich noch Einiges zu bewältigen habe. Vor mir taucht ein Mitläufer auf. Der kriecht noch langsamer als ich. Ich komme immer näher und schließe auf. Gemeinsam erreichen wir die Verpflegungsstation auf dem Petersberg. Den angebotenen Sekt lehne ich dankend ab. Ansonsten lasse ich mir hier Zeit und mache auch noch ein Foto der schönen Aussicht wegen.

Jetzt die letzten Kilometer nach unten. Den Läuferkollegen habe ich überholt. Er wird 10 Minuten nach mir das Ziel erreichen. Witzigerweise ist mitten im Wald die Halbmarathondistanz markiert. Ich liege knapp unter 3 Stunden. Alles strengt jetzt an. Die Beine wollen nicht mehr, aber sie müssen noch. Ich arbeite mich von Kilometertafel zu Kilometertafel vor. Es geht meistens leicht abwärts, ist aber trotzdem zur Schwerstarbeit geworden.

In einer Mulde grast eine Herde Schafe, eine eigenartige, mir unbekannte Rasse. Ich habe keine Energie mehr den Fotoapparat auszugraben. Ich laufe an einem Tennisplatz vorbei und nähere mich der Siedlung. Streckenposten weisen mir jetzt die Richtung durch die Straßen. Noch 600 m, dann noch 200 m. Jetzt sehe ich den Zielbereich vor mir. Ist das ein schöner Augenblick. Ich versuche einen ordentlichen Laufeindruck zu vermitteln, auch wenn es weh tut. Jetzt strahle ich und juble. Zieldurchlauf! Geschafft. Wir, mein kleiner an der mitgeführten Bauchtasche befestigter Drache und ich, wir sind jetzt Drachenlauf-Läufer. Unvorstellbar. Aber Schritt für Schritt haben wir es geschafft.
Im Zielbereich gibt es Verpflegung. Nur die Suppe ist ausgegangen. Schnelle und sehr hungrige Drachenläufer haben zugeschlagen, bis nichts mehr da ist. Was soll`s. Ich nehme mein Präsent entgegen, ein schönes großes, mit einem Drachen besticktes Handtuch. Dann hole ich mir meine Urkunde.

Der Lauf war großartig. Es stimmte alles. Die Strecke, die Landschaft, ein herrlicher Herbsttag. Ein absolut unvergessliches Läufer-Highlight.

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