Dienstag, 15. Mai 2007

Mein erster Marathon ist geschafft!

Vor 13 Monaten hatte ich den Entschluss gefasst, am 4. Ruhr-Marathon von Dortmund nach Essen teilzunehmen. Am vergangenen Sonntag war es soweit. Hier mein Bericht (entspricht dem Bericht den ich bei der WAZ für die Marathon-Neulinge abgegeben habe).

Es war für mich ein sehr emotionaler Lauf bei einer tollen Veranstaltung. Dank an die Organisation, an die Helfer, die beeindruckende Arbeit geleistet haben, aber auch an die Zuschauer, die einen bis ins Ziel toll unterstützt haben. Nach den vielen Kilometern insbesondere in diesem Jahr, den vielen Trainingseinheiten bei Wind und Wetter, den Zweifeln in den letzten Wochen, war insbesondere der Einlauf über den letzten Kilometer, das Erreichen der Ziellinie ein riesiges Erlebnis. Bestürzt war ich natürlich wie alle, als ich zu Hause in den Nachrichten erfahren musste, dass am Ende durch den Tod von zwei Teilnehmern keine wirklich unbeschwerte Freude aufkommen kann.

Die letzten Tage vor dem Lauf hatten es in sich. Da ich wenigstens vor dem Start auf meine heiß geliebten Süßigkeiten verzichten wollte, suchte ich nach Ersatz. Feigen oder Datteln fand ich nicht im Angebot. Also griff ich zu einer Tüte Sultaninen. Diese süßen kleinen Früchte brachten mich richtig in Bewegung, besonders meinen Magen, der sich auch am Sonntagmorgen noch nicht restlos beruhigt hatte. Bei der Anreise nach Dortmund wurde zunächst die Bahn ihrem zweifelhaften Ruf gerecht. In Dorstfeld standen sich hunderte von Läufern die Beine in den Bauch. Aber vielleicht war es ja keine Verspätung, sondern kalkulierter Service. So konnten Teilnehmer von weiteren zufahrenden Zügen transportiert werden. Mit ca. 20 minütiger Verspätung trafen wir dann endlich am Zielbahnhof ein. Mir ging es etwas mies und ich suchte die erste öffentliche Toilette auf. Dann ging es endlich in Richtung Startbereich. Es war schon zehn vor neun. Meine Laune und mein Befinden hatten sich gebessert. Ich stellte mich aber sicherheitshalber nochmals vor den Toiletten an. Das dauerte. Als das Startsignal kam, stand ich noch immer dort, aber das Ende war absehbar. Und da ich mich ohnehin ganz hinten einordnen wollte, war ja vielleicht doch noch etwas Zeit. Als ich es hinter mich gebracht hatte, war es merkwürdig leer. Nur meine Frau stand noch da, wild gestikulierend in Richtung Läuferfeld zeigend. Vielleicht hatte sie geglaubt ich habe mich doch noch anders entschieden und mich erstmal eingeschlossen. Ganz so lustig war es in dem Augenblick nicht mehr und auch ich sah jetzt ein, dass ich mich jetzt wohl auf den Weg machen müsste. Traingingspullover abgestreift, noch ein letzter Kuss und auf ging es, weit hinten aus dem leeren Block E, von einigen ambitionierten Läufern abschätzig auch Looser-Block genannt. Ich konnte mir jetzt verschiedene Alternativen zurechtlegen. Das Feld vor mir her jagen? Dem Feld hinterher laufen? Oder einfach Anschluss suchen? Irgendwie hatte ich mir den Start anders vorgestellt.

Es war nicht so schlimm wie es aussah. Kurz vor dem Starttor erreichte ich dann das Ende des Feldes. Ich war auch nicht der einzige Spätstarter. Das Feld erreichend kündigte sich das nächste kleinere Problem an. Ich hatte die Nordic Walker und die Walker vor mir. Es begann ein langsamer Parcourslauf, der mich aber letztlich davor schützte, dass ich zu schnell anlief. Nach 3 Kilometern war ich genau in meiner Zeitplanung. 7.30 Min./Km wollte ich laufen; für den Zieleinlauf hatte ich 5:30 Stunden vorgesehen, mit entsprechenden Pausen bei der Verpflegung und sicher auch einigen Gehpausen gegen Ende. Mein Magen hatte sich beruhigt und gab keinen Mucks mehr von sich. Das Wetter war gut, wenn es mir persönlich auch etwas zu warm war. Ich war froh, als ich nach 5 Km den ersten Becher Wasser greifen konnte. Jetzt war ich im Rennen und mein Befinden und meine Laune wurden immer besser. Das war doch der Tag, auf den ich solange gewartet hatte. Ich registrierte jetzt auch die Zuschauer und die Musik an der Strecke. Die Stimmung war wirklich prima.

Etwa bei Kilometer 8 verspürte ich Schmerzen im linken Fuß. Bloß kein Krampf dachte mir, denn so was kann höllisch wehtun. Diese unangenehmen Schmerzen dauerten vielleicht noch die nächsten 4 Km an. Dann waren sie so unerklärlich verschwunden wie sie aufgetreten waren. Glück gehabt. Bei Km 15 gab es die erste Dosis powergel. Kurz vorher hatte mein Magen schon ein leichtes Hungergefühl signalisiert. Kein Wunder, nach dem Auftakt. Aber wenn der Appetit wieder da ist, dann ist ja alles in Ordnung.

In Herne wollte meine Familie an der Strecke sein. War sie auch, aber ich war schon durch. Wir hatten uns wohl mit den Kilometerangaben etwas vertan. Ärgerlich! Dann kam die Teilung zwischen Marathon und HM. Bis dahin war auf der Strecke noch einiges los. Doch so wurde es jetzt recht einsam. Die HM-Marke erreichte ich bei 2:35:06. Das waren fast 2:30 Minuten schneller als nach meinem Fahrplan. Eigentlich wollte ich mich strikt daran halten und nichts riskieren. Nachdem die HM-Läufer sich verabschiedet hatten, wurden die Zuschauer noch wichtiger. Die Unterstützung war wirklich Klasse. Immer wieder hörte ich meinen Namen. „Dietmar du machst das gut. Sieht super aus.“ Es tut wirklich gut, wenn man fast alleine unterwegs ist. Bald war ich dann im trauernden Gelsenkirchen. Irgendwo klang es dann aber doch aus einer Box: „Blau und weiß, wie lieb ich dich…“ Ich fühlte mich in meinen BVB-Socken nicht so sehr angesprochen. Aber sonst waren auch die Leute in Gelsenkirchen sehr nett. Dann kam der come-together-point. Jetzt wurde es endlich wieder etwas voller. Bei 30 Km war ich immer noch mehr als 2:30 Minuten unter meinem Fahrplan. Ich war zudem Zeitpunkt absolut davon überzeugt, dass ich dass Ziel erreichen würde und verspürte schon etwas Vorfreude. Als nächste Zwischenetappe setzte ich mich mit der 35 Km-Marke auseinander. Im Training war ich bis zu 34,5 Km gelaufen. Ein neuer Längenrekord stand damit an. Und es sollte ja noch weiter gehen. Danach ließ die Kraft aber spürbar nach. Ich hatte 3 Päckchen powergel genommen, 2 Stücke Bananen gegessen und Wasser geschluckt wie ein Pferd. Die Anstiege in Essen waren kein Vergnügen mehr. Jeder Meter musste jetzt erkämpft werden. Bei einigen Anstiegen legte ich Gehpausen ein. Endlich erreichte ich Km 40. Es war die einzige Station, an der ich nichts trank. Ich konnte das Wasser nicht mehr sehen und die Straße mochte ich auch nicht mehr. Es zog sich jetzt wie Kaugummi. Dann wurde es lauter, 41 Km und dann der letzte auch angesagte Kilometer. 5 Stunden und genau 12 Minuten war ich jetzt unterwegs. Echt fertig. Aber jetzt riss ich mich doch noch einmal zusammen. Die Zuschauer feuerten mich an. Keine Gehpause mehr. Irgendwo da vorne wollte meine Familie stehen. Ich wollte auch einigermaßen gut durchs Ziel laufen. Und endlich war das Ziel auch in Sicht. Dann entdeckte ich seitlich von mir meine Frau, meine ältere Tochter Corinna und Enkeltochter Ronja. Sie winken und schrieen. Ich konnte gerade noch den Arm hochreißen und endlich war ich dann durch. 5:19:28 im Ziel. Was viel in dem Augenblick alles von mir ab. Nach den vielen Kilometern insbesondere in diesem Jahr, den vielen Trainingseinheiten bei Wind und Wetter, den Zweifeln in den letzten Wochen war insbesondere der Einlauf über den letzten Kilometer, das Erreichen der Ziellinie ein riesiges Erlebnis. Zwei Freudentränen kullerten die Wangen runter. Ich war so unbeschreiblich Happy. Ich habe es ja bei anderen gelesen, wie dieses Gefühl ist. Man muss es aber mal selbst erlebt haben. Die Zeit, wen interessiert das. Ich war das gelaufen, was ich laufen kann und was ich bei einem guten Verlauf maximal erwarten konnte. Ich war kaputt, aber es ging mir gut. Ich nahm meine Medaille in Empfang, holte das Finisher-Shirt und die Urkunde und war (und bin) stolz wie Oskar.

Immer noch bin ich etwas aufgewühlt. Meine Beine sind ganz schön sauer auf mich. Aber für einen Spaziergang hat es schon gereicht. Der Muskelkater wird mich wohl noch etwas begleiten.

Ob ich weiter laufe? Eine rhetorische Frage. Für den Berlin-Marathon bin ich längst angemeldet. Und den 18. Mai 2008 habe ich mir vorsichtshalber auch schon notiert.

Jetzt ist aber zunächst eine dreiwöchige Regeneration mit mindestens einer Woche Laufpause angesagt. Ich werde jetzt meine Erfahrungen aus dem über einjährigem Training auswerten und anschließend darüber berichten.

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